Im Schatten der Leidenschaft
Halle und zwang sich, tief durchzuatmen, bis der durchdringende Schmerz unter ihren Rippen nachließ. Dann ging sie instinktiv zur offenen Tür auf der Suche nach der Wärme und der Sonne draußen, damit sie ihr eisiges Fleisch berührte und ihrem erstarrten Geist wieder Leben einhauchte.
KAPITEL 8
Chloe ging zu ihrem üblichen Platz auf dem Regenfaß und saß dann benommen da.
Vage fragte sie sich, warum sie wohl nicht weinte, doch die Wunde war zu tief für etwas so Einfaches wie Tränen. Sie wollte davonlaufen von diesem Ort, vor diesem Mann, der ihr so weh tun konnte, aber es gab keinen Ort und keinen Menschen, zu dem sie hätte gehen können. Jasper war ihr einziger Verwandter, aber sie konnte ihn trotzdem nicht leiden. Chloe wußte, daß ihre Mutter ihn gefürchtet hatte, und sie wußte auch, was man in der Gegend über ihn sagte, daß man sich lieber nicht mit ihm anlegen sollte. Doch er hatte seine kleine Halbschwester eigentlich nie wirklich wahrgenommen, und sie konnte sich nicht erinnern, daß er je offen unfreundlich zu ihr gewesen war. Mit Crispin hatte sie viel mehr zu tun gehabt.
Das Geräusch von Hufen auf der Auffahrt jenseits des Hofes durchdrang ihre finsteren Gedanken, und sie sah ohne Interesse zum Tor hinüber. Wie als Antwort auf ihre Überlegungen ritt Crispin Belmont in den Hof. Er war allein und saß auf einem schwarzen Wallach von hervorragender Abstammung. Crispin sah sich um, entdeckte Chloe auf ihrem Regenfaß und hob seinen Hut. Er verbeugte sich kurz, als wolle er sie auffordern, sich über seine übertriebene Förmlichkeit lustig zu machen.
Chloe stand langsam auf. »Guten Tag, Crispin. Was führt dich hierher?«
»Das ist ja keine besonders herzliche Begrüßung«, sagte ihr Besucher mit jovialer Herzlichkeit, die für Chloes Ohren etwas falsch klang. »Ich komme in aller Freundschaft, Chloe.« Sein Blick musterte sie, und ein Funken Interesse belebte seine Züge, als er ihr glänzendes Haar sah, ihre schlanke Taille, die durch die Schärpe auf dem weiten Musselin noch betont wurde, ihre vollen Brüste und die sanfte Wölbung ihrer Hüften. Diese Chloe schien so völlig anders als das Schulmädchen in braunem Serge mit dem
Schinkenbrot, das er vor ein paar Tagen gesehen hatte. Er stieg vom Pferd, legte sich die Zügel über den Arm und lächelte ihr zu. »Bist du immer barfuß unterwegs?«
Chloe schaute auf ihre Füße und zuckte mit den Schultern. »Mir war einfach danach.« Sie stand auf und wartete darauf, daß er sagen würde, warum er gekommen war.
Crispin bemühte sich, seinen Ärger über den kühlen Empfang zu überwinden. Er hatte eine Aufgabe zu erfüllen und gehorchte in jeder Beziehung den Befehlen seines Stiefvaters. Der neue Plan, den sie beim Frühstück ausgeheckt hatten, würde am Anfang nur von dem beabsichtigten zukünftigen Bräutigam in die Tat umgesetzt. Also schluckte er seinen Ärger hinunter und erinnerte sich daran, daß achtzigtausend Pfund eine Menge Ärger wettmachen konnten. Abgesehen davon war eine solche Respektlosigkeit in Jaspers Haus natürlich undenkbar.
Er lächelte noch einmal und streckte seine Hand mit einem Päckchen aus. »Meine Mutter schickt dir Lebkuchen. Sie hat sich daran erinnert, wie gern du sie als Mädchen mochtest, wenn du immer zu uns heraufkamst. Es sind noch irgendwelche Bänder oder so etwas darin.« Er lachte. »Eben Frauensachen, meine Liebe.«
»Aha.« Chloe nahm das Päckchen und sah ziemlich verblüfft aus. »Also, dann danke doch bitte Lady Gresham für ihre Freundlichkeit.« Sie wandte sich halb ab.
Crispin suchte nach einem Weg, ihr Interesse zu gewinnen, als Samuel auf den Stufen zum Haus erschien. Er hatte von einem Fenster im oberen Stockwerk heruntergeschaut und sich daran erinnert, daß er Sir Hugos Mündel ständig bewachen sollte. Also war er hinuntergeeilt.
»Ich hätte Ihnen etwas zu sagen, Miss.«
»Entschuldige mich«, sagte Chloe knapp und ging zu Samuel hinüber.
»Wer ist das?« Samuel verschwendete keine Worte.
»Crispin, der Stiefsohn meines Bruders. Warum?«
Samuel kratzte sich am Kopf. Er konnte sich nicht vorstellen, warum es bedenklich war, wenn sie sich im Hof mit einem Verwandten unterhielt, aber die Schärfe ihres Tons stand im Gegensatz zum traurigen Ausdruck ihrer Augen.
»Wo ist Ihr Hund?« fragte er. »Sir Hugo hat gesagt, Sie sollen aufpassen, daß er nicht in Schwierigkeiten gerät.«
»Er ist in meinem Zimmer. Ich habe vergessen, ihn herauszulassen.« Die trotzige Schärfe
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