Im Schatten der Leidenschaft
er einen gleichmäßigen Strom obszöner Flüche von sich gab. Beatrice ließ ihren schlafenden Wurf für eine Weile allein und streckte sich auf der Fensterbank in der Sonne aus. Dante machte ein erwartungsvolles Gesicht und wedelte ab und zu mit dem Schwanz, so daß er dumpf auf den Boden schlug.
»Ich frage mich, wie es euch allen wohl in London gefallen wird«, bemerkte Chloe abwesend und band sich ein kornblumenblaues Band ins Haar. »Allerdings werden wir nicht gehen können, bis du die Kätzchen entwöhnt hast, Beatrice.« Ein Katzenohr hob sich. Dante seufzte schwer und ließ sich auf den Boden fallen, ganz offensichtlich war er überzeugt, daß in nächster Zeit nichts Bemerkenswertes geschehen würde. »Aber vermutlich werde ich sowieso so lange brauchen, um Sir Hugo zu überreden und die ganzen nötigen Vorbereitungen zu treffen«, murmelte sie und setzte sich auf den Sessel am Fenster, sorgfältig darauf bedacht, ihr Kleid nicht zu verknautschen.
Erst eine Stunde später erschien der einsame Reiter wieder in der Auffahrt. Chloe machte sich sofort auf den Weg und schloß die Tür direkt vor Dantes enttäuschter Nase. Am oberen Treppenabsatz blieb sie stehen und sah in die Halle hinunter.
Hugo kam mit ernster Miene die Stufen herauf und betrat das Haus. An den tiefen Falten um seinen Mund und um seine Augen war seine Müdigkeit zu erkennen. Seine rotgeränderten Augen waren ohne Licht, wie matte, grüne Steine.
Er warf seine Reitpeitsche auf einen Tisch, strich sich mit den Händen durchs Haar und massierte sich mit den Daumen die Schläfen in einer Geste, die Chloe vertraut zu werden begann. Sie brachte eine so tiefgreifende Erschöpfung zum Ausdruck, daß sie sich danach sehnte, ihn zu trösten, eine Möglichkeit zu finden, ihm zum Frieden zu verhelfen. Wie es wohl sein mochte, wenn man nie schlief?
Plötzlich sah Hugo zu ihr auf. »Komm herunter in die Bibliothek«, sagte er mit ausdrucksloser Stimme.
Chloes Optimismus schwand angesichts seines Tons. Sie zögerte, hob einen Fuß, um die erste Stufe hinunterzusteigen.
»Jetzt sofort!«
Sie holte tief Atem und rannte die Treppe hinunter, als stände jemand mit einer Peitsche hinter ihr, aber er hatte sich schon der Küchentür zugewandt.
»Warte in der Bibliothek«, befahl er knapp und ging hinein.
Chloe gehorchte langsam. Ihr ganzes Selbstvertrauen war verschwunden. Er hatte sie offensichtlich nicht einmal richtig angesehen, geschweige denn ihr Aussehen bemerkt. Sie stand an der Tür der Bibliothek und sah sich in dem Zimmer um, in dem so viel geschehen war. Es wirkte jetzt genauso düster und unfreundlich wie bei ihrem ersten Besuch auf der Suche nach dem Brief von Anwalt Scranton.
Ihre Füße gingen von sich aus zum Sofa hinüber, und sie betrachtete die zerwühlten Kissen und den rostbraunen Fleck auf dem schäbigen Samt. Sie hatte etwas geblutet, als sie vergangene Nacht zurück in ihr Zimmer gekommen war, doch nach Hugos heftiger Zurückweisung hatte sie nur kurz das Blut abgewischt und war dann gleich ins Bett gegangen. Sie beugte sich vor und berührte den Fleck, versuchte sich an den angenehmen Augenblick zu erinnern, in dem er entstanden war.
In diesem Augenblick betrat Hugo mit einem Glas in der Hand die Bibliothek. Sein Magen zog sich wieder vor Selbstverachtung zusammen.
Chloe drehte sich heftig zu ihm um, ihre Augen waren vor Schreck geweitet. »Ich wollte nur... äh ...« stammelte sie auf der Suche nach Worten für ihre Gedanken.
»Ich will, daß du dies hier trinkst«, sagte er, ohne sich um ihr
Gestammel zu kümmern und ohne sehen zu wollen, was in ihren Augen geschrieben stand. Er hielt ihr das Glas entgegen.
Chloe nahm es, betrachtete die wolkige Flüssigkeit, die es enthielt, und rümpfte die Nase angesichts des kräftigen, aromatischen Geruchs. »Was ist das?«
»Trink es«, sagte er.
»Aber ... aber was ist das?« Sie sah ihn verwundert an. »Warum sagen Sie es mir nicht?«
»Es wird dafür sorgen, daß die vergangene Nacht keine weiteren Folgen hat«, stellte er mit kühler, unbewegter Stimme fest. »Trink es.«
»Was für Folgen? Ich verstehe nicht.« Ihr weicher Mund zitterte in einem versuchten Lächeln, und ihre blauen Augen wurden so violett wie das Heidekraut auf einem schottischen Moor. »Bitte, Hugo.« Ihre Hand hob sich zu seinem Arm, und er riß ihn mit einem Ruck weg, als fürchte er, sich zu verbrennen.
»Du dumme, kleine Närrin!« rief er. »Ich kann mir nicht vorstellen, daß du nicht weißt,
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