Im Schatten der Mangroven (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
Gemeinde zu gelten habe. Aber hier war das etwas anderes. Bis dato hatte er mich auflaufen lassen, sogar Empörung gezeigt, und es fiel mir schwer, ihm jetzt den arglosen Rotarier abzukaufen.
»Vielleicht sollten Sie im Büro des Sheriff s oder beim FBI anrufen, Mr. Lemoyne. Ich bin im Augenblick vom Dienst suspendiert.«
»Ist dieser Balboni in den Tod dieser Frauen verwickelt?«
»Hat Ihnen das jemand gesagt?«
»Ich habe Ihnen eine ehrliche Frage gestellt, Sir.«
»Das gleiche tue ich auch, Mr. Lemoyne. Und ich gebe Ihnen den guten Rat, sie durchaus ernst zu nehmen. Haben Sie persönlich Kenntnis davon, daß Balboni in die Morde verwickelt ist?«
»Nein, das habe ich nicht.«
»Das haben Sie nicht?«
»Nein, selbstverständlich nicht. Wie könnte ich das?«
»Warum legen Sie dann so viel Wert auf eine Antwort, Sir?«
»Sie würden nicht andauernd hier rauskommen, wenn Sie ihn nicht verdächtigten. Stimmt das nicht?«
»Was für einen Unterschied würde das für Sie machen?«
Seine Gesichtshaut war großporig und rot, und seine Augenlider flatterten entnervt.
»Mr. Robicheaux, ich glaube ... ich habe das Gefühl ...«
»Was?«
»Ich glaube, daß man Sie unfair behandelt hat.«
»Ah ja?«
»Und ich glaube auch, daß ich selbst meinen Teil dazu beigetragen habe. Ich habe mich sowohl über Sie als auch über diese Frau vom FBI beschwert.«
»Wie ich es sehe, liegt das wahre Problem woanders, Mr. Lemoyne. Vielleicht hat es damit zu tun, welchen Preis man für Geschäfte mit einem Mann wie Julie Balboni zahlen muß.«
»Ich habe versucht, ehrlich mit Ihnen zu reden.«
»Schön. Bringen Sie Distanz zwischen sich und Balboni. Trennen Sie sich von Ihren Anteilen, oder was sonst nötig ist.«
»Dann hat er vielleicht tatsächlich mit dem Tod dieser Mädchen zu tun?« Seine Augen leuchteten und stierten in meine.
»Sagen Sie mir eins, Mr. Lemoyne. Hätten Sie Julie gerne zum Nachbarn? Würden Sie es gerne sehen, wenn Ihre Tochter sich mit einem solchen Menschen abgibt? Wie würde Ihnen das gefallen, Sir?«
»Ich empfinde Ihre Bemerkung als sehr anstößig.«
»Anstößig
ist es, wenn ein Stuntman Nase und Rippen gebrochen und ein Ohr abgerissen bekommt, um als abschreckendes Beispiel zu dienen.«
Ich konnte an seinen Augen sehen, wie pikiert und verletzt er war. Seine Lippen öffneten sich einen Spalt und schlossen sich dann wieder.
»Warum sind Sie hier draußen, Mr. Lemoyne?«
»Ich wollte Mr. Goldman aufsuchen. Um so viel herauszufinden, wie mir möglich ist.«
»Ich finde, daß Ihre Anteilnahme reichlich spät kommt.«
»Ich habe Ihnen nichts weiter zu sagen. Ich wünsche Ihnen einen guten Tag, Sir.«
Er ging zu seinem Wagen und stieg ein. Als ich ihn so betrachtete, wie er auf die unbefestigte Straße bog und in Richtung des Wachhäuschens davonfuhr, mußte ich mich doch über die selbstgerechte Naivität wundern, die so typisch für ihn und Leute seiner Art war. Sie gehörte genauso zu der Rolle, die sie verkörperten, wie die aneinandergereihten Kredit- und Mitgliedskarten, die sie in ihren Brieftaschen mit sich führten, und wenn sich die richtige Gelegenheit dafür ergab, holten sie sie hervor und trugen sie mit einer kollektiven Verlogenheit zur Schau, die eines Schauspielpreises würdig gewesen wäre.
Zumindest dachte ich das damals – vielleicht in meiner eigenen Naivität – über Twinky Hebert Lemoyne.
Als ich die Wachkabine erreichte, saß Murphy Doucet, der Mann vom Sicherheitsdienst, wieder dort auf seinem Posten, und die Kette lag auf der Straße. Er war über einen Tisch gebeugt und arbeitete an etwas. Er winkte mir durchs offene Fenster zu und wandte sich wieder seiner Arbeit zu. Ich parkte meinen Pickup auf dem Rasen und betrat das Wachhäuschen.
Darin war es heiß und stickig und roch nach Modelleim. Murphy Doucet blickte von einem riesigen Balsaholzmodell auf, einer B-17 »Flying Fortress«, die er mit Sandpapier abschmirgelte. Seine blauen Augen bewegten sich flink hinter einer bifokalen Brille.
»Wie geht’s denn so, Dave?« sagte er.
»Kann nicht klagen, Murph. Ich war auf der Suche nach Julie Balboni.«
»Der ist Baseball spielen.«
»Baseball?«
»Yeah, manchmal fährt er mit zwei oder drei Jungs in die Stadt, um dort ein kleines Spielchen zu machen.«
»Wo?«
»In seiner alten Highschool, glaube ich. Hey, haben Sie Twinky so in Rage gebracht?«
»Wie kommen Sie denn darauf?«
»Ich hab gesehen, wie Sie mit ihm redeten, dann ist er mit gesenktem Kopf
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