Im Schatten der Mangroven (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
einem fragenden Ausdruck im Gesicht an. Winzige Lichter funkelten in ihrem kastanienbraunen Haar, das sie hochgesteckt hatte.
»Ein Mann ist in den Bayou gefallen. Ich muß ihn und seine Freundin heimfahren«, sagte ich.
»Wo haben die ihr Auto?«
»Sie sind mit dem Taxi gekommen.«
»Mit dem Taxi? Wer geht mit dem Taxi angeln?«
»Er ist ein seltsamer Bursche.«
»Dave –«
sagte sie, meinen Namen gereizt langziehend.
»Er ist einer dieser Schauspieler, die da draußen am Spanish Lake arbeiten. Schätze, er ist hierhergekommen, um mir was zu erzählen.«
»Welcher Schauspieler?«
»Elrod Sykes.«
»Elrod Sykes ist draußen im Laden?«
»Ja.«
»Und wer ist die Frau, mit der er da ist?«
»Kelly Drummond.«
»Dave, ich fasse es nicht. Du hast Elrod Sykes und Kelly Drummond da draußen im Angelladen stehengelassen? Du hast sie nicht zu uns hereingebeten?«
»Er ist voll wie eine Strandhaubitze, Boots.«
»Das ist mir egal. Sie sind hierhergekommen, um dich zu sehen, und du hast sie im Laden sitzenlassen, während du kurz mal duschst?«
»Bootsie, der Kopf von dem Burschen leuchtet im Dunkeln, selbst wenn er keine Pillen geschluckt hat.«
Sie ging zur Haustür hinaus und den Abhang zum Bayou hinunter. Im bläulich-violetten Dämmerlicht konnte ich sehen, wie sie sich ans Haar faßte, bevor sie den Laden betrat. Fünf Minuten später saß Kelly Drummond an unserem Küchentisch, eine Tasse Kaffee zwischen den Fingern, das Gesicht marihuanabedingt entrückt, während Elrod Sykes in unserem Schlafzimmer in trockene Klamotten schlüpfte. Als er in die Küche trat, trug er meine Sandalen, Khakihosen und das Ragin’-Cajuns-T-Shirt, auf dessen Rücken mein Name aufgebügelt war. Alafair hatte es mir zum Vatertag geschenkt.
Blutunterlaufene Äderchen röteten sein Gesicht, und sein Blick schweifte automatisch zum Kühlschrank.
»Möchten Sie ein Bier?« sagte Bootsie.
»Gerne, wenn es Ihnen nichts ausmacht«, sagte er.
»Boots, ich glaube, es ist keins mehr da«, sagte ich.
»Oh, das macht nichts. Ist wirklich nicht nötig«, sagte er.
Die Verlegenheit stand Bootsie in die Augen geschrieben. Dann sah ich ihre Züge hart werden.
»Ich bin sicher, da muß irgendwo noch eins sein«, sagte sie. Dann fischte sie eine langhalsige Flasche Dixie aus dem unteren Fach und machte sie für ihn auf.
Elrod bückte beiläufig zur Hintertür hinaus, während er am Flaschenhals nippte.
»Ich muß die Kaninchen füttern. Wollen Sie kurz mit mir rauskommen, Elrod?« sagte ich.
»Die Shrimps sind in einer Minute fertig«, sagte Bootsie.
»Länger dauert’s auch nicht«, sagte ich.
Draußen, unter den Pecanbäumen, die im nachlassenden Licht jetzt schwarzgrün schimmerten, spürte ich, wie Elrod von der Seite her mein Gesicht beobachtete.
»Junge, Junge, ich weiß gar nicht, was ich sagen soll, Mr. Robicheaux, ich meine, Dave.«
»Zerbrechen Sie sich da mal nicht den Kopf drüber. Sagen Sie mir nur, was Ihnen den ganzen Tag lang schon auf der Seele brennt.«
»Diese Burschen da draußen am See. Ich hab’s Ihnen schon mal erzählt.«
»Welche Burschen? Wovon reden Sie?«
»Südstaateninfanterie. Besonders ein Kerl, mit goldenen Epauletten am Uniformrock. Er hat eine Armverletzung, und das eine Bein fehlt. Ich glaube, daß er vielleicht ein General ist.«
»Ich sag’s Ihnen offen und ehrlich, Partner. Meiner Meinung nach haben Sie Halluzinationen.«
»Das denken viele Menschen. Aber irgendwie hab ich nicht erwartet, daß ich von Ihnen dieselbe Scheiße zu hören bekomme.«
»Ich wäre Ihnen doch dankbar, wenn Sie Ihre Zunge hier bei mir im Zaum hielten.«
»Entschuldigung. Aber dieser Offizier der Konföderierten hat was gesagt. Ich konnte nicht draus schlau werden, aber ich hab mir gedacht, daß es Ihnen vielleicht was sagt.«
Ich füllte einen der Kaninchennäpfe mit Trockenfutter – in Kugeln gepreßte Luzerne – und hängte den Riegel an der Gazetür des Verschlags wieder vor. Ich blickte Elrod Sykes an. In seinem Gesicht lag nicht ein Anflug von Tücke oder manipulativer Absicht; in der Tat erinnerte es mich an jemanden, dem gerade ein Blitz in den Kopf gefahren ist.
»Hören Sie zu, Elrod. Vor Jahren, als ich an der Flasche hing, da glaubte ich immer, Anrufe von Leuten zu bekommen, die lange tot waren. Manchmal hörte ich im Regen die Stimmen von meiner verstorbenen Frau oder von Kameraden aus meinem Zug. Ich war der festen Überzeugung, daß die Stimmen echt waren und daß ich mich vielleicht zu
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