Im Schatten der Mangroven (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
doch gleich der Schwarze, der immer am Busbahnhof zugange ist?«
»Ich nehme den Flieger, Mann. Macht doch jeder heute«, sagte er und leckte an der Oberseite des geschälten Eis, bevor er es in den Mund steckte.
Viele Jahre war der Airline Highway die wichtigste Landstraße zwischen Baton Rouge und New Orleans gewesen. Als die Interstate 10 gebaut wurde, verlor der Airline Highway diese Bedeutung. Es war nur noch eine Straße von vielen, und sie wurde wieder Teil der halbländlichen Slumkultur, die immer charakteristisch für den finstersten Süden gewesen ist: schäbige, klapprige Nachtclubs, deren Parkplatzbelag Austernschalen bildeten; kakerlakenverseuchte Motels mit Wasserbetten und Pornofilmen und Zimmern, die man tage- oder wochenweise mieten kann; Fernfahrerraststätten mit einer Batterie von Kondomautomaten in den Toiletten; nonstop geöffnete, grellerleuchtete Cafés, wo der Bratgeruch so greifbar wie ein Fettfilm über Tresen und Hockern hängt.
Ich suchte drei Lokale auf und erreichte gar nichts. Jedesmal, wenn ich durch die Tür trat, wanderten die Augen des Barkeepers zu mir, als sei ich jemand, den man den ganzen Abend schon erwartet hatte. Sobald ich am Bartresen Platz nahm, verschwanden die Mädchen auf der Damentoilette oder durch die Hintertür. Der elektrisch verstärkte Lärm der Country-Bands war ohrenbetäubend, das Knarzen durch die Mikrophone wie Metall, das über eine Tafel kratzte. Wenn ich mit jemandem zu reden versuchte, nickte er unberührt in der Lärmkavalkade, als ob ein Mann ohne Stimmbänder zu ihm gesprochen hätte, und wandte sich dann wieder seinem Getränk zu oder starrte durch die dichten Lagen von Zigarettenrauch in die entgegengesetzte Richtung.
Ich gab auf und lief zurück zu meinem Pickup, der zwischen der Bretterwand eines Nachtclubs und einem häßlich dahinge-klatschten Motel mit sechs Zimmern, einem kleinen gelben Vorgarten und einer abgestorbenen Palme neben dem Meldefenster geparkt war, zu dem man vorfahren konnte. Die Luft roch nach Imprägniermittel und verbranntem Dieselkraftstoff von den Eisenbahnschienen am Fluß, nach dem Staub des Muschelparkplatzes, nach Schnaps und Bier aus einer mit leeren Flaschen gefüllten Mülltonne. Trockene Blitze, die ein Gewitter ankündigten, ließen den Himmel hoch über dem Golf erbeben.
Ich hörte nicht, wie sie hinter mich trat.
»Jeder hier weiß schon seit zwei Stunden, daß du kommst, Süßer«, sagte sie.
Ich drehte mich um und blickte sie aus zusammengekniffenen Augen an. Sie nahm einen Schluck aus ihrer Bierflasche und paffte dann an ihrer Zigarette. Das Gesicht war verfettet, der Lippenstift schief, das gefärbte rote Haar mit Festiger wie ein Drahtgewirr am Kopffestgepappt. Sie legte eine Hand an die Hüfte und wartete darauf, daß ich sie erkannte.
»Charlotte?«
»Was für ein Gedächtnis. Bin ich arg fett geworden?«
»Nein, nicht sehr. Du siehst gut aus.«
Sie lachte vor sich hin und blies den Zigarettenrauch nach oben in die Dunkelheit.
Vor dreißig Jahren war sie eine Stripteasetänzerin und Nutte auf der Bourbon Street gewesen, danach dann die Mätresse eines Kredithais, der sich eine Kugel in den Kopf geschossen hatte, die Ehefrau eines ehemaligen Polizeisergeants und Alkoholikers, der in Angola endete, weil er auf der Rennbahn Pferde gedopt hatte. Das letzte, was ich von ihr gehört hatte, war, daß sie einen Massagesalon in Algiers führte.
»Was machst du hier draußen auf dem Airline Highway?« sagte ich.
»Ich führe den Saftladen nebenan«, sagte sie und nickte in Richtung des Motels. »He, ich muß mich mal hinsetzen. Ich hab ordentlich was getankt.« Sie förderte in dem Müllhaufen neben dem Nachtclub einen Holzstuhl zutage und setzte sich mit gespreizten Knien darauf und nahm einen weiteren Schluck aus der Bierflasche. Die elektrische Lüftung einer Toilette klapperte über ihrem Kopf. »Hab schon gehört, wonach du suchst, Streak. Ein Typ, der sich die jungen Hühner vom Land holt, stimmt’s?«
»Weißt du, wer es ist?«
»Die kommen und gehen. Ich bin zu alt, um da noch mitzukommen.«
»Ich bin wirklich scharf drauf, mal ein paar Worte mit dem Kerl zu wechseln, Charlotte.«
»Yeah, schon richtig, dem sollte jemand mit einem eisernen Haken an die Eier, aber das wird wohl nicht passieren.«
»Warum nicht?«
»Wenn du die richtigen Leute kennst, flickt dir keiner am Zeug.«
»Kennt er die richtigen Leute?«
»Was meinst du denn?«
»Die Balboni-Familie
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