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Im Schatten der Mitternachtssonne

Im Schatten der Mitternachtssonne

Titel: Im Schatten der Mitternachtssonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Coulter
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hast.«
    »Ich zweifle, daß deine Wikinger Götter etwas mit meinem Spaziergang zu tun haben. Wer bist du? Was willst du von mir?«
    »Ich mag keine schrillen Weiberzungen, und ich mag keine unnützen Fragen.« Er trat einen Schritt auf sie zu, und Zarabeth machte einen Schritt zurück. Sie schätzte die Entfernung zum Palisadenzaun ab und überlegte, ob sie schneller laufen konnte als er.
    Als könne er ihre Gedanken lesen sagte er: »Das kannst du nicht. Du bist eine Frau, und deshalb kannst du nicht schneller laufen als ich. Ich möchte dich näher betrachten. Ich tu dir nichts. Halt still.«
    Er trat auf sie zu, das Schwert immer noch in der rechten Hand, blieb vor ihr stehen, hob ihren langen Zopf hoch und zog ihn nach vorne. Mit schnellen, beinahe ärgerlichen Bewegungen löste er ihn und ließ seine Finger durch ihr Haar gleiten, dann wand er sich ein kräftiges Haarbüschel um die Hand und rieb seine Wange daran. »Ich hasse den Zopf. Du mußt dein Haar offen tragen. Es fühlt sich glatt und kühl an, und die Farbe leuchtet. Und der Duft. Lavendel? Du bist sehr fremdländisch, wie Ingunn sagte. Auch das Grün deiner Augen ist ungewöhnlich. Ich habe noch nie solches Grün gesehen, wie grünes Moos tief im Wald, das kaum ein Sonnenstrahl trifft. Ob du sonst auch so fremd aussiehst?«
    Er lachte glucksend in sich hinein. »Natürlich würde Ingunn niemals zugeben, daß du schön bist. Sie haßt dich nämlich.«
    Und dann wußte Zarabeth Bescheid. »Du bist Orm Ottarsson.«
    Er grinste sie immer noch an. »Du bist nicht dumm, wie mir scheint. Mein Ruhm ist mir vorausgeeilt. Ja, ich bin Orm Ottarsson. Und du bist Zarabeth, Magnus' neue Ehefrau.«
    »Was tust du hier? Du bist hier nicht sicher. Über deine Untaten wird soeben auf der Thing-Versammlung gerichtet.«
    »Ich bin gekommen, um dich von hier fortzubringen, fort von Magnus Haraldsson. Ich möchte mich seit langem an ihm rächen. Und Ingunn hat keine zärtlichen Gefühle für dich. Sie hat mir aufgetragen, sie zu rächen. Eigentlich möchte sie dich am liebsten tot sehen, aber das würde sie nie eingestehen. Ich soll dich an einen reichen Araber in Miklagard verkaufen und schönen Profit aus dem Handel schlagen.« Seine Fingerspitzen berührten ihre Wange. »Ich glaube zwar nicht, daß du eine gute Sklavin abgibst. Zweifellos würde ich dennoch reichlich Gold für dich bekommen. Hast du noch Narben von dem Sklavenband, das Magnus dir um den Hals schmieden ließ? Nein, es ist alles schön verheilt. Du mußt ihn sehr verärgert haben, weil er dich so erniedrigt und bestraft hat.«
    »Ja«, sagte sie. »Aber es lag nicht in meiner Absicht, ihn zu verärgern. Es war nicht meine Schuld.«
    »Das tut nichts zur Sache. Er hat dir vergeben und dich geheiratet. Ich konnte es anfangs nicht glauben, denn
    Magnus ist ein stolzer Mann, stark und unbeugsam wie eine Eiche. Als wir kleine Buben waren, war er eigensinniger, sturer als jeder andere von uns. Ich erinnere mich, wie er einmal vor Angst erbleichte, als ein wilder Keiler ihn angriff, aber er schluckte seine Angst hinunter, erwartete das Untier standhaft und rannte ihm den Speer zwischen die Rippen. Ja, Magnus ist ein stolzer Mann.« Er blickte sie wieder an und rieb ihr Haar zwischen den Fingern. »Ingunn ist ebenso stolz wie ihr Bruder. Sie kann auch grausam sein. Das habe ich immer an ihr bewundert.«
    »Ingunn hat keinen Grund, mich zu hassen. Ich habe ihr nichts getan.«
    Achselzuckend meinte er: »Sie hat ein aufbrausendes Wesen, ein leicht verletzliches Herz und einen rasch verwirrten Verstand. Du warst für sie eine Bedrohung, sie sah in dir die Frau, die sie von ihrem Thron stürzte, und deshalb will sie dich vernichten. Ihre Methoden waren nicht sonderlich klug, denn Magnus zog dich allen anderen vor, selbst dieser kleinen Hure Cyra. Und das hat Ingunn zu spät erkannt.«
    »Hat sie dir das alles erzählt? Hast du Ingunn aus ihrem Elternhaus entführt?«
    Lachend schüttelte er den Kopf. »Das möchte Helgi gerne glauben. Aber sie ist keine Närrin und weiß genau, daß Ingunn aus freien Stücken zu mir gekommen ist. Ich mußte ihr nur eine Botschaft zukommen lassen, und sie eilte zu mir.«
    »Magnus, sein Vater und viele andere Männer nehmen an der Versammlung teil und beraten über deine Plünderungen und Greueltaten. Du mußt Norwegen verlassen, Orm. Ich habe gehört, daß viele deiner Landsleute nach Westen segeln, über das große Meer, wo die Wikinger fremde Länder entdeckt und besiedelt

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