Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Schatten der Mitternachtssonne

Im Schatten der Mitternachtssonne

Titel: Im Schatten der Mitternachtssonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Coulter
Vom Netzwerk:
sie aus dem Tor gegangen ist, mit gesenktem Kopf, in Gedanken versunken. Es hatte stark geregnet, und alle wollten nach dem schlechten Wetter ins Freie. Wahrscheinlich ist sie deshalb den Weg hinunter zum Wasser gegangen.«
    »Trug sie nichts bei sich?«
    Hollvard schüttelte den Kopf.
    »Dann hat sie jemand gewaltsam entführt.«
    »Das wäre möglich.«
    Er hörte den Zweifel in der Stimme des alten Mannes. Hollvard glaubte, wie alle seine Leute, daß sie sich umgebracht hatte, oder daß sie einfach in die Wälder gegangen und von wilden Tieren zerfleischt worden war. Das glaubte Magnus nicht. Zarabeth war eine Kämpfernatur. Sie würde sich nicht selbst töten.
    Er rief seine Männer zusammen, und wieder begann eine Suchaktion. Keiner von ihnen sagte ein Wort, stumm suchten sie nach Zarabeth, wie sie nach Egill gesucht hatten. Es war Ragnar, der einen Fetzen von ihrem Kleid fand, an einem Strauch, etwa zwanzig Meter im Föhrenwald.
    Magnus untersuchte den Stoff und das Gebüsch. »Sie wurde getragen«, sagte er schließlich. »Über der Schulter eines Mannes, der etwa meine Größe hatte. Sie ist aus Malek verschleppt worden.« Am liebsten hätte er einen Freudenschrei losgelassen über die Entdeckung, daß sie noch am Leben war.
    Sie war entführt worden. Von wem? War sie wirklich noch am Leben?«
    Gunnar, ein kleiner Mann, der ein ausgezeichneter Spurensucher war, kam heran. »Hier entlang, Magnus. Ich habe Spuren entdeckt, undeutlich zwar, aber immerhin. Odin sei Dank, daß es nicht mehr geregnet hat.«
    Magnus ging hinter Gunnar her und hoffte, daß der Mann recht hatte und nicht grundlos prahlte. Sie erreichten das Lager noch spät am selben Tag. Es war vor etwa zwei Tagen verlassen worden, wie Gunnar vermutete.
    »Was machen wir jetzt, Magnus?«
    Er wandte sich an Ragnar. »Wir bewaffnen uns und nehmen die Verfolgung auf. Ich weiß, wer sie entführt hat. Und ich will das Blut des elenden Schurken sehen.«

22
    Zarabeth spürte einen brennenden Schlag im Gesicht, dann einen Schwall kaltes Wasser. Sie spuckte, nach Luft japsend, und öffnete die Augen.
    Ingunn kniete neben ihr, eine leere Holzschale in der Hand. »Du bist also nicht tot. Orm war schon besorgt, daß er dich zu hart getroffen hat. Aber ich sagte ihm, ich hole dich schon wieder ins Leben zurück.«
    Zarabeth sagte nichts. Ingunn kauerte auf den Fersen, ihre Augen verengten sich plötzlich, als Orm heranschlenderte. Er ging in die Hocke und nahm Zarabeths Gesicht in beide Hände. Er studierte den Bluterguß an ihrer Wange und berührte sanft ihre Haut.
    »Ich wollte nicht so hart zuschlagen. Du warst sehr lange ohne Bewußtsein.« Dann grinste er. »Und du wirst dich nie wieder gegen mich wehren, nicht wahr?« Wieder berührte er ihren Bluterguß, weniger zart diesmal.
    Schmerz schoß ihr durch die Gesichtshälfte, aber sie gab keinen Laut von sich. Sie blickte den Mann an, der sie aus Malek verschleppt hatte. »Wo sind wir?«
    Er grinste breit, und es war kein angenehmes Grinsen. Sie erwartete wieder einen Schlag, doch er berührte sie nicht. »Ich habe dir schon einmal gesagt, ich mag keine aufdringlichen Weiber.«
    »Ich bin nicht aufdringlich. Ich stelle nur eine Frage.«
    »Sie macht sich lustig über mich, aber ich werde ihr diese Frechheit noch einmal nachsehen.« Orm grinste Ingunn an, die ein angespanntes Gesicht machte. Zu Zarabeth gewandt sagte er: »Nicht weit von Malek. Nein, ziemlich nah. Jetzt, da du wach bist, wirst du dich nützlich machen. Wir brechen bald auf. Ingunn, sie hat dir zu gehorchen.«
    Orms Finger berührten Zarabeths Haar. Sein Blick war so bohrend, daß er ihr Angst machte. Dann erhob er sich, stemmte die Hände in die Hüften und schaute auf sie hinunter. »Geh deiner Arbeit nach.«
    »Steh auf.«
    In Ingunns Stimme war eine Mischung aus Haß und Triumph. Zarabeth stand auf, dabei zuckte wieder der stechende Schmerz durch ihre Gesichtshälfte. Sie tastete die Wange ab, öffnete und schloß den Mund mehrmals. Der Kieferknochen war nicht gebrochen; dafür dankte sie ihrem christlichen Gott und den Göttern der Wikinger.
    »Erwarte bloß kein Mitleid von mir, Zarabeth und versuche keinen deiner dummen Tricks.« Ingunn trat näher. »Ich habe dir versprochen, daß ich dir heimzahle, was du mir angetan hast. Ich habe gesagt, daß dir deine Aufsässigkeit noch leid tun wird, und jetzt ist es so weit. Hier, trag diese Sachen.« Sie warf ihr mehrere Bündel vor die Füße. Zarabeth hob sie auf. Sie waren schwer. Orm

Weitere Kostenlose Bücher