Im Schatten der Pineta
erzählt, dass das ermordete Mädchen oft ins Ara Panic gekommen ist. Ihm zufolge hat sie letzten Sommer da allerdings mehr die Sofas abgenutzt als zu tanzen.«
»Und du hast, ohne es zu wollen, mithören müssen.«
»Ohne es zu wollen, spricht er zufälligerweise lauter als Ampelio. Wahrscheinlich gewöhnt man sich das unweigerlich an, wenn man die ganze Nacht diesem Lärm ausgesetzt ist, jedenfalls redet er so laut, dass man ihn im ganzen Restaurant hört. Einmal hat so ein Kerl, der aussah wie ein russischer Mafiakiller und am Nebentisch saß, zu ihm gesagt: ›Können Sie eigentlich auch leise sprechen?‹ Woraufhin der Schlaumeier geantwortet hat: ›Ja, aber nur beim Bumsen.‹ Köstlich, das ganze Restaurant hat sich amüsiert. Darauf ist der andere ganz nah an ihn herangetreten, sodass seine Augen höchstens noch zwei Zentimeter von seinen entfernt waren, hat ihm direkt in die Augen gesehen und ganz ruhig gesagt: ›Und wenn man dir einen Tritt in den Arsch verpasst, was machst du dann? Du fängst an zu plärren, stimmt’s?‹ Na ja … von da an war der Pigi mucksmäuschenstill. Aber um auf Alina zurückzukommen: Pigi hat auch gesagt, dass er sie diesen Sommer noch nicht gesehen hat, weder in der Disco noch sonst wo.«
»Wenn ihr mich fragt, ist er auch zu ihr gegangen«, sagte Rimediotti und nickte wissend. »Der ist doch ein verdammter Hurensohn. Erzählt herum, dass er mal eine Sechzehnjährige geschwängert und sie anschließend zur Abtreibung gezwungen hat. Die Zaira hat mir das erzählt, und der ihr Enkel arbeitet auch in einer Disco, im Imperiale.«
(Eine weitere fundamentale Spielregel beim Sicheinmischen in die Angelegenheiten von Menschen, die man weder kennt noch jemals gesehen hat, ist die Untermauerung der eigenen Behauptungen, indem man sich auf jemanden beruft – oder noch besser: auf einen Verwandten von jemandem –, dessen Kompetenz in der Sache durch eine wie auch immer geartete Gemeinsamkeit mit der fraglichen Person garantiert wird; das lässt auch noch das blödsinnigste Geschwafel folgerichtig erscheinen.)
»Gut, aber jetzt sind wir aufs falsche Gleis geraten«, wandte Del Tacca ein. »Dieser Pigi interessiert uns im Grunde überhaupt nicht, also lasst uns zu den Fakten zurückkehren. Es heißt doch, dass diese Tote, sie ruhe in Frieden, ein cleveres Mädchen war, oder nicht? Und das leuchtet mir ein. Was mir nicht einleuchtet, ist etwas anderes …« Ein Schluck vom Campari, um die Spannung zu erhöhen. »Nicht wahr, Massimo?«
»Schon möglich. Wenn du mir sagst, was du meinst. Vielleicht leuchtet es ja nicht einmal mir ein.«
»Nein, nein, glaub mir, dir leuchtet es bestimmt ein. Es ist jetzt zwei Jahre her, seit du die Bar eröffnet hast, und seitdem nimmst du uns auf den Arm, nach dem Motto: ›Müsst ihr immer eure Nase in die Angelegenheiten anderer Leute stecken. Ich möchte mal wissen, was euch das angeht. Jetzt sag mal, was der dir Böses getan hat.‹ Und so weiter. Und jetzt sitzt du selbst hier bei uns am Tisch! Und vorhin hast du eine Stunde lang mit einer gesprochen, die du gar nicht kennst, und darüber die Bar vernachlässigt. Ne, ne! Wenn du also noch immer behauptest, du kennst niemanden, der was mit der Sache zu tun hat, dann erklär uns mal, warum. Falls es ein Warum gibt.«
Massimo schlug die Beine übereinander, verschränkte die Arme und sah Del Tacca an.
Den ganzen Nachmittag bemühte er sich schon, nicht daran zu denken. Das geht dich nichts an, sagte er sich erneut. Aber da er nun mal nicht in der Lage war, nicht daran zu denken, konnte er sich ebenso gut geschlagen geben.
»Es gibt einen Grund. Ich habe mit Fusco gesprochen. Ich habe den Jungen bei ihm gesehen. Ich habe gehört, was der Dottore über die SMS gesagt hat. Fusco hat eins und eins zusammengezählt und den Schuldigen gefunden. Logisch. Schnell. Hervorragende Arbeit.«
»Tatsächlich, nicht zu glauben«, sagte Aldo. »Ein Schwachkopf wie der Fusco steht plötzlich vor einem Mordfall und klärt ihn mir nichts, dir nichts innerhalb von zwei Tagen auf, obwohl er normalerweise nicht mal ein Kreuzworträtsel ohne fremde Hilfe lösen kann. Andererseits, bei den Indizien, die er da zusammengetragen hat, wäre sogar ich draufgekommen.«
»Inwiefern?«, fragte Massimo.
»Ich hätte auch den Schuldigen ausgemacht. Das heißt, den Jungen.« Aldo stand auf, ging zum Zapfhahn und füllte sich sein Glas. »Es ist eben nicht wie in den Krimis. Es gibt ein Motiv, eine Gelegenheit, es gibt Beweise.
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