Im Schatten der Pineta
unterhalten! Also wirklich, wenn du es nötig hast, einem jungen Mädel nachzulaufen, das allerhöchstens sechzehn ist, obwohl es doch genug Frauen in deinem Alter gibt. Wenn das deine Großmutter wüsste …«
»Großvater, wenn Großmutter Tilde auch nur die Hälfte von dem wüsste, was ich dich den lieben langen Tag hier so treiben, sagen und essen sehe, würdest du dich nicht mehr ohne Begleitschutz nach Hause trauen.«
Während Ampelio ungerührt die Spielkarten aufräumte, ergriff Aldo erneut das Wort: »Im Übrigen bist du der Einzige, der sich bislang heute amüsiert hat.«
Es war sinnlos, weiter mit den Neuigkeiten hinterm Berg zu halten. Wenn er fortfuhr, so zu tun, als wäre nichts, und nicht rasch mit der Sprache rausrückte, würden sie ihn den ganzen Tag lang foppen. Massimo rückte einen Stuhl an den Tisch und setzte sich. Dann begann er zu erzählen.
»Also, das Mädchen, mit dem ich vorhin hier ankam, heißt Giada Messa; ich habe sie im Kommissariat getroffen, wo sie mit ihrem Bruder war. Bruno, so heißt er, ist der Junge, der Alinas letzte SMS bekommen hat. Das Mädchen hat sie heimlich auf dem Handy ihres Bruders gelesen. Darin stand, dass er um zehn vor ihrem Haus warten solle, um zusammen essen zu gehen.«
»Um zehn zum Abendessen?«, sagte Ampelio. »Schöne Zeiten heutzutage. Als ich in dem Alter war, wurde noch zu Hause gegessen. Von wegen ausgehen!«
»Was war, als du in dem Alter warst, wissen hier alle, denn die meisten sind genauso alt wie du, und mich interessiert das nicht die Bohne. Entschuldige, aber noch so ein paar Zwischenbemerkungen von dir, und ich bin morgen noch nicht fertig. Also, der Junge hat seiner Schwester erzählt, er sei zehn vor zehn zu Alina gegangen und habe bis um halb zwölf vor dem Haus auf sie gewartet. So viel zu den Fakten. Und nun zu den Meinungen. Das Mädchen sagt, Alina und ihr Bruder hätten ein Techtelmechtel gehabt, ob das stimmt oder nicht, entzieht sich meiner Kenntnis. Sie ist sich jedenfalls sicher. Sie hat gesagt, dass es ihr gar nicht recht war, weil …«
»… weil, auch wenn man von Toten nur Gutes reden soll«, unterbrach ihn Aldo, »diese Alina Costa ihre Freunde gewechselt hat wie andere Leute die Socken, obwohl sie gerade mal alt genug war, um Auto zu fahren.«
Massimo sah ihn einen Moment lang an.
»Da sieht man mal wieder, wie klein unser Dorf ist«, sagte Del Tacca mit unbeteiligter Miene.
»Ich habe es von Pigi gehört, du weißt schon, dem Typ, der im Ara Panic arbeitet.«
Das Ara Panic oder die Disco für jene, die sich für cooler als alle anderen hielten, irritierte den Sternenhimmel mit seiner Lichtreklame, die fast den ganzen Strand bis zur Stadt hin ausleuchtete. Sommers wie winters standen arbeitsscheue Nachtschwärmer Schlange vor dem Eingang, nachdem sie ihre Mercedesse – von denen niemand wusste, womit sie die verdient hatten – im absoluten Halteverbot abgestellt hatten. Waren sie endlich bis zum Eingang vorgedrungen, mussten sie sich, die einen bange, die anderen hochmütig, von hirnlosen Muskelprotzen schätzen lassen, deren Aufgabe es war, nur den brillantesten Vertretern der menschlichen Rasse den Zutritt zu gewähren. Drinnen war die Musik so laut, dass die Besucher, die von Haus aus schon über weniger Gehirnzellen als Haare verfügten, Gefahr liefen, restlos zu verblöden. Die Druiden, die das Amt der Auslese ausübten, wurden auch Rausschmeißer genannt. Und Pigi, mit bürgerlichem Namen Piergiorgio Neri, war einer der furchtlosen Vertreter dieser privilegierten Kaste. Mit seinen meldeamtlichen dreißig Jahren, der intensiven Bräune, den schwarzen Haaren mit sonnengebleichten Spitzen, der von Stereoiden aufgeblähten enthaarten Brust, die seine eng anliegenden und an taktisch relevanten Stellen ausgeschnittenen T-Shirts ausbeulte, einem Lächeln, das zweiunddreißig Zähne entblößte und von einem koketten violett gefärbten Spitzbart unterstrichen wurde, rief Pigi unter den ortsansässigen Bürgern die unterschiedlichsten Reaktionen hervor: Die Bandbreite reichte von an Anbetung grenzender Bewunderung aufseiten der Gymnasiasten bis zu hektischem Sichbekreuzigen seitens der verwitweten Signora Falaschi.
»Ein toller Typ, in der Tat«, sagte Massimo. »Wann hat er dir das erzählt?«
»Gestern Abend, im Restaurant. Bevor er zur Arbeit ging, war er wie immer zum Abendessen da. Er hat wenig gegessen und nur Wasser getrunken, wie immer, der Arme. Er saß mit ein paar Freunden zusammen und hat
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