Im Schatten der Pineta
sehr clever, wie soll ich sagen …«
Hab schon verstanden, dachte Massimo. Wäre sie noch am Leben, könnte man sie eine kleine Schlampe nennen.
»Sie hat mir von ihren Jungs erzählt, was sie mit ihnen gemacht hat, wohin sie mit ihnen gegangen ist … Das ist ja nicht weiter schlimm, ist ja ihre Sache, aber ich wollte eben nicht, dass sie meinen Bruder an der Nase herumführt. Sie waren letzten Sommer zusammen, ein Mal. Für sie war es nichts Ernstes gewesen. Er war nur ein Freund, mit dem, na ja, es halt mal passiert war … Er dagegen war wie hypnotisiert, ehrlich. Jeden Tag hat er sie mindestens drei oder vier Mal angerufen. Wenn sie tanzen ging, ist auch er hingegangen, folgte ihr wie ein kleines Hündchen. Auf Partys sind sie im Nebenzimmer verschwunden, um nach einer Stunde wieder aufzutauchen; am Strand haben sie sich das Handtuch geteilt. Ich glaube, es hat ihr gefallen, einen Verehrer zu haben, der immer für sie da war, aber wenn sie nicht zusammen waren, hat sie sich eben mit anderen amüsiert. Das weiß ich, weil ich sie gesehen habe. Mir hat sie gesagt, dass zwischen Bruno und ihr nichts läuft, sie wären nur Freunde, und das hätte sie ihm auch klar und deutlich gesagt. Er hat es genossen, mit ihr zusammen zu sein. Aber jetzt ist sie tot, und mir (Schluchzer) blöder Ziege fällt nichts Besseres ein, als schlecht über sie zu reden (wiederholtes Schluchzen und leichtes Zittern des Kinns), dabei weiß ich nicht mal, was schlimmer ist …«
Sie ließ den Kopf sinken, nur um ihn gleich wieder zu heben. Ihre Augen glitzerten, doch diesmal war es ihr gelungen, die Tränen zurückzuhalten. Massimo, dem das Ganze unangenehm war, suchte fieberhaft nach einer Ausrede, um sie nach Hause zu schicken.
»Wissen deine Eltern davon?«
»Meine Eltern … die haben keinen blassen Schimmer. Deshalb hab ich ja so Angst, ihnen unter die Augen zu treten. Ich kann jetzt nicht einfach nach Hause gehen und ihnen erzählen, was passiert ist. Du hast keine Ahnung, was dann los wäre. Die fallen glatt in Ohnmacht.«
Es sei denn, Fusco hat sich schon darum gekümmert und sie ins Bild gesetzt, sodass sie bereits in Ohnmacht gefallen sind, dachte Massimo. Hoffentlich hast du deinen Schlüssel dabei, sonst musst du noch auf der Fußmatte schlafen.
»Vielleicht solltest du jetzt trotzdem lieber nach Hause gehen. Egal, was passiert – und es ist ja nicht gesagt, dass etwas passiert –, deine Eltern brauchen dich jetzt. Außerdem ist es besser, sie erfahren es von dir als von jemand anderem, findest du nicht auch?«
Das Mädchen hielt einen Moment lang die Augen gesenkt, dann nickte sie. Sie stand auf, nicht ohne Massimo einen Blick auf den grandiosen Canyon unter ihrem grünen Top zu gestatten, schob den Stuhl wieder an den Tisch und wandte sich zum Gehen. Nach wenigen Schritten drehte sie sich um und lächelte.
»Ich heiße übrigens Giada.«
»Schöner Name. Ich bin Massimo.«
Mit der vollendeten Haltung eines englischen Butlers trat Aldo an den Tisch, stellte die Getränke ab und blieb stehen, die Hände abwartend auf dem Rücken.
»Ihre Bestellung, Signor Conte.«
»Aber das nächste Mal ein bisschen schneller, wenn ich bitten darf.«
»Verzeihen Sie, Signor Conte, aber der mir von Ihnen genannte Buckel war mir unbekannt, und es kostete mich einige Mühe, ihn zu finden. Ihnen wird jener Ort gewiss viel vertrauter sein, in Anbetracht der Tatsache, dass Sie dieses Lokal gekauft haben.«
»Vielen Dank. Was, zum Teufel, haben diese Schwachköpfe da drin eigentlich zu lachen?«
»Es war gerade ein heftiges Streitgespräch im Gange über die Frage, ob Ihre Freundin nicht etwas zu jung sei, um gewisse Dinge zu erfassen. In metaphorischer Hinsicht, versteht sich.«
»Ja, natürlich. Ich geh jetzt wieder rein und walte meines Amtes, danke für alles.«
Massimo betrat die Bar, wo er von Großvater Ampelio mit einem anzüglichen Grinsen empfangen wurde.
»Und?«
»Was ist das für ein Fleck?«, fragte Massimo.
»Was für ein Fleck?«
»Da, auf deiner Hose.«
»Ach, was weiß denn ich, wird wohl Eis sein. Ist aber schon ganz trocken, muss ein alter Fleck sein.«
»Ja, ja, von wegen alt.« Massimo wandte sich zu Aldo. »Dir und dem Rest des geriatrischen Klubs überlass ich noch mal die Bar …«
»Stimmt«, sagte Del Tacca. »Mit den Alten hast du’s nicht so. Sieht aus, als würdest du eher junges Fleisch bevorzugen.«
»Genau«, meldete sich Ampelio wieder zu Wort. »Von wegen sich ein bisschen
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