Im Schatten der Schlange
hervor.
»Ja, es hatte in den letzten Stunden ganz den Anschein«, stimmte sie zu. »Dieser miese Häuptling eines degenerierten Clans wollte mich tatsächlich seinem Ungeheuer opfern, an dem er seit langen Wintermonden herumbeschwört. Die Kälte war nie zuvor da. Und ich hab’ Laute da unten gehört und einen Schatten gesehen, der immer schwärzer wurde. Ich glaube fast, diesmal war es ihm tatsächlich gelungen.« Sie schüttelte sich. »Ich bin sehr froh über euer Erscheinen, muß ich sagen. Sehr froh…« Der Opis machte sie sehr gesprächig. »Ich werde ihn…« Sie brach ab, als sie sich klar darüber wurde, was sie mit ihm tun würde.
Die Caer blickten tadelnd, denn es war nicht üblich, daß eine Caer ihrem Gemahl drohte – aber andererseits waren Häuptlingstöchter Häuptlingstöchter, und man hängte sein Weib nicht in einem Tempel auf.
»Du kennst dich in diesem Tempel aus, oder?« fragte Nottr.
»Wie in meinem eigenen Haus«, sagte sie sarkastisch.
»Da sind noch mehr von uns«, erklärte Nottr, »die Barynnen an seine Tafel geladen hat. Wo finden wir sie?«
Sie deutete hoch. »Oben. Im Raum des Rachens.«
»Es ist unheimlich«, sagte Khars, und Kellet fügte hinzu: »Da unten bewegt sich was… über dem Altar…«
Sie starrten alle durch die Öffnung hinab, und trotz ihres Opisrausches erfaßte alle eine eisige Furcht, denn etwas Schwarzes wogte da unten und wuchs und formte sich.
»Gehen wir«, drängte Keir. »Es… es wird auf uns aufmerksam…«
Nottr spürte, wie Seelenwind in seinem Griff erbebte beim Anblick der Finsternis. Da wußte er, daß Horcans Macht noch mit ihm war.
Lorvaner und Caer wichen langsam zur Wand zurück und durch sie hindurch. Joise O’Crym wurde sich dieser Tatsache mit offenem Mund bewußt.
Calutt kicherte trocken. »Wir kennen auch ein paar Tricks, wir Barbaren.«
Nottr bewegte etwas anderes. »Wenn Barynnen noch nie zuvor einen Dämon beschworen hat, wie kommt es, daß er dämonisierte Helfer hat?«
»Dämonisierte Helfer?« fragte sie verständnislos.
»Ja, seine Diener… sie sehen aus, als ob sie den Dämonenkuß empfangen hätten.«
»Oh, die… nein, die haben genausowenig einen Dämon gesehen wie mein Schuft von einem Gemahl. Sie sind längst tot…«
»Tot?« entfuhr es Nottr.
»Ja, wir kamen mit einer Karawane aus Elvinon hierher. Ein Priester war auch dabei. Mein Mann gehörte zur Leibgarde des Priesters. Hier sollte ein Tempel für Tarthuum entstehen, hier, wo der Schatten der Schlange seit kurzer Zeit auf die Erde fällt. Aber bevor sie damit beginnen konnten, kam eine Schar von Kriegern, Caer und Tainnianer waren sie, und sie haßten die Priester und ihre Dämonen. Sie fielen über uns her, und in dem erbitterten Kampf wurden alle getötet, bis auf Barynnen. Er hatte Wunden, aber sie waren nicht sehr schwer. Die meisten der Toten holten die Raubkatzen sich nach und nach. Der Hunger trieb sie her, obwohl sie sich vor dem Zauber der Schlange und dem Steinwald fürchteten. Barynnen, der an der Seite des Priesters das eine oder andere gelernt hatte, fand bald heraus, daß hier in unmittelbarer Nähe der Schlange die Luft und die Erde voller Kräfte waren, und er lernte sie zu beherrschen, jeden Tag ein wenig mehr. Er wußte, daß es Kräfte der Finsternis waren, denn er wußte von den Priestern, daß die Schlange ein Zeichen der Finsternis ist… so etwas wie ein eherner Kreis. Aber er entdeckte, daß er sich der Kräfte der Schlange bedienen konnte, ohne ein Priester zu sein.« Sie zuckte die Schultern. »So erweckte er die Toten, die noch übrig waren… und dann baute er mit ihnen diesen Tempel…«
»Und Ihr, Lady?« fragte einer der Caer.
»Ich war immer bei ihm, auch in seinen schwärzesten Stunden.« Ihre Stimme klang weich bei diesen Worten. »Auch als er mit seinen Beschwörungen anfing.«
»Weshalb hat er das getan, wenn die Kräfte ihm ohnehin gehorchten?«
»Unter den Toten, die er erweckte, war auch der Priester«, erklärte sie schaudernd. »Es ist kein wirkliches Leben mehr in ihnen. Die Leiber verwesen nicht, und die Kraft bewegt die Glieder. Sie haben keinen Geist, keine Seele mehr… Aber dieser Priester, Coryn – es ist, als hätte er Macht über meinen Gemahl noch im Tode… das muß es sein, was ihn dazu treibt…«
»Wo ist der Priester?«
»Meist nicht weit von ihm. Irgendwo oben… im Raum der Augen.«
»Dann wollen wir uns beeilen«, drängte Calutt.
Joise O’Crym führte sie zu einer schmalen Stiege, und
Weitere Kostenlose Bücher