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Im Schatten der Schlange

Im Schatten der Schlange

Titel: Im Schatten der Schlange Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hugh Walker
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sie folgten ihr hinauf. Bald hörten sie Tumult und Brüllen und dann deutlich Barynnens Stimme.
    »Legt die Waffen nieder, oder sollen noch mehr von euch sterben!«
    Ein Aufheulen aus heiseren Kehlen folgte und dann erneutes Waffengeklirr, und wieder Barynnens Stimme: »Ihr Narren! An dem Wein wird keiner sterben. Aber meine Diener sind unüberwindlich…!«
    »Sie sind nicht unüberwindlicher als die Finsternis!« rief O’Braenn. »Und selbst die haben wir bereits bezwungen!« Seine Stimme klang gequält.
    In diesem kritischen Augenblick kamen Joise und die Barbaren durch die Wand, und alle erstarrten bei diesem Anblick, selbst die erweckten Toten, als ihnen Barynnens lenkender Antrieb fehlte.
    Die Tafel war ein Chaos. Gut die Hälfte von O’Braenns Männern lagen auf dem Boden, einige still, die Mehrzahl dabei, sich wild zu krümmen. Die noch aufrecht standen und eine Klinge in der Hand halten konnten, hielten die Linke gegen den Bauch gepreßt. Ihre Gesichter waren schmerzverzerrt. O’Braenn taumelte und brach in die Knie, wobei er Barynnen mit wilden Hochländerflüchen bedachte. Der einzige, der noch ungebeugt am Tisch stand, war der Magier Thonensen. Sein hageres Gesicht war bleicher noch als sonst. Er war damit beschäftigt, das Gift und den Schmerz mit den Kräften zu bekämpfen, die er aufgesammelt hatte. Schwarzer Rauch umgab ihn.
    »Barynnen, du Aussatz der Cryms…!« rief Joise und stellte sich vor ihn, die Hände in die Hüften gestemmt. Ihr dunkles Haar war strähnig vom Angstschweiß der letzten Stunden, ihr Gesicht war weiß, ihre Augen funkelten vor Wut. In diesem Augenblick war sie ganz nüchtern. Es gab keinen im Raum unter den Lebenden, dessen Blick nicht an ihr hing.
    »Joise«, flüsterte Barynnen. Er hob abwehrend die Arme, als sie mit den Fäusten auf ihn losging.
    »Du wolltest mich töten!« rief sie. »Du wolltest mich diesem Ungeheuer opfern, das du beschworen hast…!«
    »Nein!« rief er. »Nein… niemals… Joise, ich kann dich gar nicht…«
    »Aber du hast!« kreischte sie, und er vermochte sich ihrer kaum zu erwehren.
    »Joise, hast du vergessen…?«
    Sie ließ ihn nicht ausreden. »Ich bin vielleicht nicht mehr so ganz deine Frau, Barynnen. Aber ich bin dein Gewissen…!«
    »Das wäre das erstemal, daß wir eines hätten, Joise«, erwiderte er ruhig. »Du und ich, wir sind immer ganz gut ohne ausgekommen. Wir wären beide längst unter der Erde, wenn wir eines gehabt hätten. Hör auf, alte Erinnerungen an Furcht hervorzukramen. Du weißt längst nicht mehr, was das ist, meine Liebe. Hör auf, mir einzureden, daß ich zu weit gehe. Ich weiß es selbst, aber ich bin nicht immer Herr über mich. Die Neugier ist stärker als…«
    »Die Neugier?« wiederholte sie und lachte häßlich. »Pah, die Neugier ist dir früher auch nie über den Kopf gewachsen. Du warst ein Scheusal in vieler Leute Augen, aber eines mit gesundem Menschenverstand. Und neugierig warst du höchstens auf die Weiber. Dort…!« Sie lief ans Ende der Tafel und stieß eine Tür auf, die in einen kleinen Raum dahinter führte.
    Sie schrak zurück vor der Gestalt, die hinter der Tür stand – ein blutleeres Gesicht, das zerstört war von Schwerthieben, augenlose Höhlen, die den gespenstischen Eindruck vermittelten, daß sie sahen; ein von Lumpen verhüllter Körper, der allen Gesetzen der Lichtwelt nach nicht mehr gehen und nicht mehr stehen durfte.
    »Das ist es, was Herr über dich ist«, sagte die Frau anklagend. »Laß ihn sterben. Seinesgleichen bringt nur Grauen über die Welt. Gute Männer sind gefallen für seinen Tod… und du erweckst ihn wieder zum Leben. Welch ein Wahnsinn, Barynnen! Welch ein götterfrevelnder Wahnsinn…!«
    »Hör auf!« rief Barynnen. »Hör auf, mir zu sagen, was ich tun soll und was nicht. Oder bei Godh und Erain und bei Tarthuum… ich werde mich von dir befreien!«
    In diesem Augenblick erbebte der Tempel.
    Die leeren Höhlen des toten Priesters ruckten herum. Er sah aus, als lauschte er.
    Alle lauschten in die plötzliche Stille.
    Die Frau sagte tonlos und doch für alle deutlich hörbar: »Ihr Götter, er ist hier…«
    Barynnen starrte sie an. Begreifen kam in seine Züge.
    Er stieß die Frau zur Seite und eilte zur Tür. Der tote Priester folgte ihm, und es war schrecklich anzusehen, wie dieser erschlagene Körper sich bewegte. Caer und Lorvaner wichen vor ihm zurück.
    Joise O’Crym wandte sich um. »Er ist zu schwach und zu unwissend für eine Teufelei wie diese.

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