Im Schatten der Schlange
den Dämonen ans Fell gehen? Die Waffe wegwerfen, die mir so unüberwindlich erschien…?«
»Dein Schwert, in dem die Kraft so vieler Toter steckt, und dein Wissen – das sind deine starken Waffen gegen den Feinde auf den du aus bist, nicht diese Männer, die anderes im Kopf haben, als die Welt zu retten. Du hättest auf Dilvoog und Daelin hören sollen.«
»Und die Seiten wechseln!« entfuhr es ihm.
»Hast du nicht selbst immer gesagt, es gibt keine Seiten in diesem Kampf?«
»Aber die Horde verlassen, um an der Seite der Caer…«
»Welch ein Heer, Nottr! Mehr als zwanzig Tausendschaften… die alle nichts anderes im Sinn haben, als heimzukehren und stong-nil-lumen und diese Dämonenbrut auszulöschen… wie du! Wie ich!«
»Wollen sie das? Glaubst du es?«
»Sie haben dir und deinen Barbaren Darain überlassen. Und Duldamuur. Sie hätten deine Horden längst vernichten können, wenn sie es gewollt hätten.«
Nottr schwieg. Erst nach einer Weile sagte er: »Vielleicht war ich ein Narr. Es ist wohl meine barbarische Seele, die mir zuweilen den Blick trübt.«
»Maer O’Braenn hätte dich mit offenen Armen aufgenommen. Er hat mit deiner Hilfe gerechnet. Mit deiner und Urgats und Dilvoogs und meiner. Er braucht solche wie uns, die Erfahrung im Kampf gegen Priester und Dämonen gesammelt haben.« Er gab sich einen Ruck. »Er wird heute vergeblich warten, wenn die Sonne am höchsten steht.«
»Er wartet? Wo?« entfuhr es Nottr überrascht.
»Einen halben Tagesritt im Westen.«
»Worauf wartet er?«
»Auf uns.«
Nottr starrte ihn an.
»Wir wären hingeritten«, erklärte der Magier. »Mit dir und Urgat. Und nicht mehr zurück.«
»Ihr hättet mich entführt?« rief Nottr.
Thonensen nickte zustimmend. Er beobachtete die entgeisterten Blicke Nottres und seiner Viererschaft ungerührt. »Zu deinem Besten.«
Nottr schüttelte den Kopf. Dann lachte er und vergaß einen Augenblick lang seinen Grimm über den Verrat der Horde. »Hast du gehört, Tigerin? Meine Gefährten hätten mich entführt!«
Lella nickte nur stumm, als hielte sie den Gedanken für durchaus Überdenkenswert.
Calutt hob den Kopf und blickte benommen auf Nottr. Mit krächzen der, unsicherer Stimme sagte er: »Die Schamanen… haben Urgat… die Führung der Horde… angeboten…«
»Imrirr!« entfuhr es Nottr.
»Er hat… angenommen…«, ergänzte Calutt mühsam. Dann hielt er erschöpft inne. »Es ist so schwer«, murmelte er. »So viele Tote sind in dieser Stadt, und sie alle reden von vergangenen Dingen. Ihre Erinnerungen sind frisch und voller Gewalt und Qual… Ich darf nicht weiter suchen… sonst finde ich nicht mehr zurück…«
Er sank in sich zusammen.
Während Thonensen sich zu ihm beugte und ihn auf die Beine zu bringen versuchte, wobei ihm Baragg und Keir zur Hand gingen, sagte Lella wütend: »Mein Bruder ist ein Narr!«
»Er ist nur klug«, sagte Nottr überzeugt.
»Er hat uns verraten…«
»Nein. Hätte er abgelehnt, wäre er jetzt so hilflos wie wir. Als Hordenführerr kann er etwas für uns tun.«
»Du denkst, er spielt kein doppeltes Spiel? Du vertraust ihm so sehr?« fragte sie erleichtert.
Nottr grinste. »Du auch, wie ich sehe.«
»Aber was kann er tun?«
Nottr zuckte die Schultern. »Da ist auch noch Mon’Kavaer in ihm, der wenig Lust hat, mit den Barbaren in die Wildländer zu ziehen. Hoffen wir, daß einem von beiden etwas einfällt. Wenn ich nur meine Klinge in die Finger bekäme. Mit Seelenwind würde ich sie alle aus der Stadt jagen.« Er schüttelte den Kopf. »Wir haben uns übertölpeln lassen wie…« Er brach ab, als ihm kein Vergleich einfiel, der die Ungeheuerlichkeit der Dummheit ausdrückte.
Calutt kam langsam wieder zur Besinnung, und Thonensen sorgte dafür, daß die beiden Krieger ihn in Bewegung hielten und der Schamane nicht wieder in seine Entrücktheit zurücksinken konnte.
Calutt, sah in der Tat aus, als ob er mehr unter den Toten als unter den Lebenden weilte.
»Was haben dir die Toten noch erzählt?« drang Nottr in ihn.
»Sie kümmern sich nicht um die Dinge der Lebenden, Hordenfüh…« Er brach ab. »Ihre Erinnerungen sind alles, was sie noch mit dem Leben verbindet… manche eine lange Zeit, andere nur einen Augenblick. Aber sie können nicht mehr erkennen, was nach ihrem Tod unter den Lebenden geschieht…«
»Wer hat dir dann gesagt, daß Urgatt jetzt die Horde führt?« fragte Lella verwirrt.
»Jetzt, wo er nicht mehr das Sagen hat«, er deutete auf Nottr, »holen
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