Im Schatten der Tosca
endgültig begriffen: So ging das nicht weiter mit Sonia, es war Schluss. Da sein Doktorvater gerade nach Amerika gehen wollte, hat Massimo das als Wink des Schicksals angesehen. Amerika als Zwischenstation war ihm lieber, als mit zerzaustem Gefieder nach Rom zurückzugehen.«
Julia machte eine Kunstpause, und Elia schien es, als müsse noch etwas folgen, darum fragte sie: »Ja und du, irgendwie bist du doch auch in das Durcheinander einbezogen, oder?«
Julia nickte und lachte: »Ja, das ist der Erzählung zweiter Teil, jetzt kommt mein Auftritt, ach, Elia. Kurzum, ich habmich ziemlich schnell in Umberto verliebt, er ist so lustig und sympathisch, und bei ihm hatte es auch gefunkt. Als er mit Massimo zurückkam, da ist es passiert, ich hab richtig den Kopf verloren, ha, ein tolles Gefühl, und jetzt telefonieren wir und schreiben uns, und irgendwie wird es schon weitergehen.«
Elia war beeindruckt, die Liebe, die Liebe, die hatte es wirklich in sich. Ja, und jetzt? Julia als Schauspielerin konnte nicht weg aus Schweden, sie war an die Sprache gebunden, da hatten es Sänger besser. Und dass Umberto in Stockholm ein italienisches Lokal aufmachen wollte, das konnte sie sich auch nicht vorstellen, der Arme würde hier auf die Dauer eingehen wie eine Primel. Sie schaute ihre Freundin gerührt an: »Du und Umberto, so was. Er ist wirklich ein Schatz. Dann musst du eben zum Film gehen und Cinecittà aufmischen, wie Anita Eckberg, du musst dir nur noch ein paar Pfunde anfressen, an den richtigen Stellen, Umbertos Kochkünste werden schon das Ihrige tun.«
Ferdinand kam erst im letzten Augenblick aus München angehetzt – und er wohnte tatsächlich bei Birgit, wo Elia auf ihn wartete. Beide waren sie richtig glücklich, sich nach der langen Pause wiederzusehen und so viele spannende, gemeinsame Wochen vor sich zu haben. Friederike hatte wieder nicht mitkommen können, diesmal hatte Ulli Masern.
»Mit Kindern ist immer was los, so haben wir uns das am Anfang unserer Ehe nicht vorgestellt«, jammerte Ferdinand.
Gleich am ersten Probentag holte er Elia ab, und sie gingen zusammen zu Fuß zur Oper, und da sie im ersten Akt fast ständig miteinander auf der Bühne standen, behielten sie das bei. Auch wenn die Proben zu Ende waren, steckten sie viel zusammen. Sie saßen oft an Birgits Flügel und gingen bestimmte Stellen durch, manchmal stundenlang, denn es machte ihnen Spaß, Nuancen auszuprobieren und sich mit dem anderen zu beraten. Elia fiel auf, dass sie das mit Carlos nie gemacht hatte, aber vielleicht eignete sich ein mulmiger Flügel in der Hotelbar nicht für solche Unternehmungen.
Manchmal kam auch Birgit dazu, und was sie sagte, war immer sehr vernünftig und hilfreich. Elia wusste das schon längst aus eigener Erfahrung, aber Ferdinand war überrascht und vollends hingerissen. Er liebte Birgit und war auf Elia eifersüchtig, er wollte auch als Wahlenkel angenommen werden. Er fühlte sich wie zu Hause, er half in der Küche, streifte vom Dachboden bis zum Keller auf der Suche nach reparaturbedürftigen Dingen, er klebte und schraubte und flickte, Birgit war begeistert: »Du bist der ideale Hausmann, den ich mir immer gewünscht und nie gehabt habe. In dieser Familie hat außer mir noch niemand jemals auch nur einen Hammer angerührt, alle Bilder und Bücherregale habe ich selbst aufgehängt, im besten Fall haben die anderen zugeschaut: ›Ach, das machst du wundervoll, du bist eben so praktisch.‹«
»Und Mariana?«, wollte Elia wissen.
»Ja, die war sich wohl auch zu schade, nachdem die Männer so gar keine Lust gezeigt haben«, meinte Birgit lachend.
Elia konnte sich das kaum vorstellen: »Sie ist doch die reinste Kunstschreinerin. Die kommt mit halb zerfallenem Gerümpel daher, und ein paar Wochen später steht da eine strahlende, kostbare Antiquität.«
»Da schau an«, staunte Birgit.
Die Violetta war eine sehr anspruchsvolle, auch anstrengende Partie, aber Elia fürchtete sich nicht, im Gegenteil, es reizte sie, den schillernden Charakter dieses Mädchens zu erfassen. Mochte Mimi mit einer zarten, bescheidenen Wiesenblume zu vergleichen sein, dann war Violetta eine elegante Orchidee oder eben eine kostbare Kamelie – doch in beiden Blüten nagte bereits der Todeswurm. Noch etwas verband die beiden Mädchen: Sie standen ganz allein da in der Welt und mussten sich selbst durchschlagen. Damit aber hörten die Ähnlichkeiten fast schon auf. Violetta gab sich nicht ab mit Blumennähen und einem
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