Im Schatten der Tosca
darf er nicht glücklich sein, weißt du, das verbietet ihm eine tiefinnerliche Lebensfeindlichkeit, die vergiftet bei ihm alles. Und dieses Gift ist auch in dich hineingeträufelt, hat dich durchdrungen und lahmgelegt!«
Elia hörte ihm verwirrt zu: »Woher weißt du das, du kennst ihn doch gar nicht?«
Massimo rief ärgerlich: »Solche Gestalten wie er laufen in Schweden zu Tausenden herum. Und nicht nur da.«
Sie hatten inzwischen die erste Flasche Wein geleert, eine zweite, so fanden sie, konnte nicht schaden. Elia schwankte zwischen mühsamem Optimismus und völliger Verzagtheit. Doch der Kummer war stärker: »Inzwischen versucht er mich als Sängerin fertigzumachen. Er nörgelt an mir herum und schikaniert mich, er hetzt mich zu Tode, und anschließend behauptet er, ich forcierte aus reiner Effekthascherei«, sagte Elia stockend. Nach einer Weile fuhr sie fort: »Singen, das ist mein Leben, weißt du. Und jetzt ist alle Leichtigkeit dahin, der Elan, auch die Freude ... Wie ein Vogel mit verklebten Schwingen, so fühle ich mich bei ihm.«
Massimo war außer sich vor Empörung: »Furchtbar. Der Mensch ist noch tausendmal schlimmer, als ich gedacht habe. Weil er selbst nicht mit dem Leben zurechtkommt, gönnt er auch dir deine Lebensfreude nicht. Aus reinem Neid versucht er, dich kaputtzumachen. Ich könnte ihn umbringen!«
»Da wärst du in bester Gesellschaft, deine Mutter wird dir mit Wonne dabei helfen, und Robertino wohl auch«, sagte Elia mit einem kläglichen Lächeln. Und plötzlich fing sie an zu weinen. Ihre ganze Verzweiflung brach aus ihr heraus, der Tränenstrom wollte gar nicht mehr aufhören.
Massimo legte den Arm um sie und wiegte sie sachte hin und her: »Ja, du hast ja recht.« Da gab es nichts zu trösten, das war zu schlimm, er konnte Elia nur festhalten und ihr nahe sein, mehr nicht. Es dauerte lange, bis Elia sich ein wenig beruhigte. Auch dann rührten sie sich nicht, sondern blieben eng aneinandergepresst sitzen.
»Ich geh mal ins Bad. Ich sehe sicher furchtbar aus. Und dabei hab ich dir schon vorher nicht gefallen«, murmelte Elia schließlich.
Massimo wischte ihr mit der Serviette ein paar Tränen von den Wangen. »Du bist wunderschön, Elia«, sagte er leise.
Als Elia aus dem Bad zurückkam, hatte Massimo den Tisch abgeräumt und einen Tee gemacht. Eine ganze Weile rührten sie schweigend in ihren Tassen. Endlich schauten sie sich an, im gleichen Augenblick, verlegen und verwirrt, alle beide. Sie saßen auf der Bank, wieder nahe beieinander, sie mussten nur die Köpfe noch ein wenig drehen, dann konnten sie sich küssen.
Zunächst war es ein vorsichtiger, zarter Kuss, aber ihre Lippen fanden schnell heraus, dass sie sehr gut zueinander passten, so, als hätten sie schon lange aufeinander gewartet. Und so schnell mochten sie nicht voneinander lassen. Schließlich blickten sie sich in die Augen.
»Du und ich. Elia und Massimo«, sagte Massimo staunend.
Elia nickte, genauso verwundert: »Ja, wir beide! Und gerade jetzt!«
Dann sanken sie sich erneut in die Arme. Auch ihre Hände machten sich auf die Suche. Irgendwann zog Massimo Elia sanft von der Bank hoch: »Komm.«
Als Elia am Morgen aufwachte, wusste sie einen winzigen Augenblick lang nicht, wo sie war, so licht und traut mochte es dereinst im Himmel sein. Doch dann schmiegte sie sich noch fester in Massimos Arm: Auch auf Erden konnte man wunderbar geborgen und glücklich sein! Massimo murmelte mit geschlossenen Augen: »Du hast mich einmal gefragt, ob ich glaube, dass ich mich noch mal im Leben verlieben kann. Ja, Elia, und nun ist’s passiert. Auch Wünsche, von denen man nichts weiß, werden manchmal wahr.« Auch Elia sprach ganz leise: »Jens Arne wird sagen, dass ich ihn deinetwegen verlassen habe. Aber das macht mir keine Angst. Dass wir uns erst gestern Abend ineinander verliebt haben, das wird er mir nie glauben.« Massimo beugte sich über Elia und sah sie ernst an: »Wer weiß, am Ende hat er sogar recht damit. Was wissen wir schon von der Liebe . . .«
Informationen zum Buch
»Hörst du? Dafür bist du auf der Welt.« Als die junge Elia die große Mariana Pilovskaja zum ersten Mal singen hört, ist es, als vernähme sie einen göttlichen Ruf. Auf einmal weiß sie, was ihre Bestimmung ist… Märchenhaft wie in einer großen Oper entfaltet sich vor dem Leser das Leben zweier Sängerinnen, wie sie, von außen betrachtet, unterschiedlicher nicht sein könnten. Während Mariana stets unbeirrt ihrer Karriere
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