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Im Schatten der Tosca

Im Schatten der Tosca

Titel: Im Schatten der Tosca Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Kaiser
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festgesetzten Termin die ›Tosca‹-Serie in Stockholm gegen Ende der Spielzeit. Wie sollten sie diese endlos lange Trennung aushalten? Elia war in den kommenden Monaten in Stockholm festgenagelt, und Carlos pendelte zwischen Europa und Amerika, für mehr als ein, zwei Stippvisiten würde es nicht einmal für ihn, den unerschrockenen Lebenskünstler, reichen.
    Im Zweifelsfall würde das immer so bleiben, es sei denn, sie verkauften sich nur noch im Doppelpack, aber für die nächsten Spielzeiten waren sie nun mal blockiert. »Ferdinands Frau hat für ihn ihre Karriere als Geigerin an den Nagel gehängt, Enricos Frau züchtet zu Hause die Hunde, sie bereiten ihren Helden ein gemütliches Heim, halten ihnen den Rücken frei, erledigen die Steuererklärung, packen die Koffer, manchmal fahren sie auch mit, kurzum, ihr ganzes Leben kreist um den berühmten Gatten. Ach, Carlos, ich liebe dich so sehr, aber wenn ich das von jetzt an für dich machen wollte, es ginge nicht, Mariana und Björn Eksell würden mir was husten«, rief Elia, als wäre sie verzweifelt.
    Nein, diese praktische Lösung bot sich ihnen nicht mehr an, ein Leben als treusorgende Ehefrau gab es für Elia wirklich nicht. Und Carlos wollte eine ähnlich schöne Aufgabe auch nicht übernehmen. »Ich komm dich besuchen«, mehr konnte er nicht versprechen.

    In Stockholm wurde Elia von Julia am Flugplatz abgeholt. Die beiden Freundinnen fielen sich um den Hals, sie lachten und glucksten so laut, dass sich die anderen Reisenden, die mitverdrossenen Mienen auf ihr Gepäck warteten, indigniert umdrehten.
    »Oh Gott, oh Gott, ich hab ganz vergessen, hier darf man nur flüstern«, kicherte Elia.
    Julia hielt sich die Hand vor den Mund: »Pscht, lachen verboten.« Sie versuchten die Stimmen zu senken, aber lange hielten sie es nicht durch, dazu waren sie zu aufgedreht. Julia musterte Elia mit zusammengekniffenen Augen: »Mann, schaust du gut aus, dieser Carlos bekommt dir hervorragend.« Wenn es nach dem Aussehen ging, musste Julia ebenfalls verliebt sein, fand Elia, doch Julia grinste nur: »Später, später.«
    Auf der Fahrt durch die Stadt schaute Elia ganz verwundert zum Fenster hinaus: Wie schmuck und adrett – und alles war so vertraut. Als sie ihre kleine Wohnung betrat, mit den stillen, bescheidenen Möbeln und Dingen, die sie einfach zurückgelassen hatte, überkam sie ein zärtliches Gefühl von Heimkommen, in das sich auch Wehmut mischte.
    »Das gibt es also auch: Man vermisst etwas und merkt es gar nicht«, murmelte Elia kopfschüttelnd und fügte wie zur Entschuldigung hinzu: »Es ist so viel passiert.«
    Julia machte eine vage Handbewegung: »Ja, klar, du bist eine treulose Tomate, aber wir vergeben dir, die Liebe, die große Liebe, dagegen kommt nichts an. So, und jetzt zieh dich um, Mama hat zu deiner Rückkehr ein paar Leute eingeladen, und unterwegs holen wir Birgit ab.«
    Birgit, ihre geliebte schwedische Großmama, wieder stieg in Elia eine Zärtlichkeitswelle hoch, wie sollte dieser Abend noch enden? Zum Glück war Birgit wie immer, warmherzig, natürlich und ganz und gar unsentimental. Und genauso frisch und munter, trotz ihres Alters.
    Bei Erna waren alle versammelt. Außer Ernas Sippe Björn und seine Frau, eine muntere, rundliche Tänzerin aus Kuba, bei der Elia und Julia ihre Jazzgymnastik machten, Ture und einige andere Sängerkollegen, sogar Karen Nilström, Fulvio, Sven Aarquist, der den Tag zuvor aus Paris zu den letzten Vorbereitungenfür die ›Traviata‹ angereist war. Und zusammen mit Birgit noch Marianas ganzer Schwedenclan. Nur Mariana nicht, und Massimo fehlte auch!
    »Er ist nach Amerika abgehauen, nach Princeton«, erklärte Julia.
    »Ja, und Sonia, was ist mit der?«
    Wieder tat Julia geheimnisvoll: »Das ist jetzt zu kompliziert.«
    Elia musste an ihren ersten Abend in Stockholm denken, damals war alles neu und fremdartig für sie gewesen, außer Mariana und Björn Eksell hatte sie keinen Menschen gekannt, zudem stand ihr mit der ›Tosca‹ ein riesengroßes Abenteuer bevor, von dem sie nicht wusste, wie und ob sie mit ihm zurechtkommen würde. Jetzt kannte sie die Menschen hier, und obgleich jede Neuproduktion ein Unterfangen bedeutete, bei dem man sich lieber auf nichts verlassen sollte, empfand sie jetzt vor der ›Traviata‹ nicht mehr die gleiche bebende Erwartung wie einst vor der ›Tosca‹. Ich habe meine Unschuld verloren, dachte Elia. Es schien ihr vollkommen undenkbar, dass sie jemals im Leben wieder wegen

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