Im Schatten der Tosca
einzuwenden. Elia war jetzt flügge und sollte ruhig internationale Erfahrungen sammeln. Nur der vorgesehene Zeitplan erschien ihm viel zu dicht gedrängt, Elia musste unbedingt mehr Luft zwischen den einzelnen Vorstellungen bekommen. Carlos wunderte sich zwar: »Warum, das reicht doch, ich mache das auch immer so«, aber Björn setzte sich durch: »Glaub mir, Frauen sind da anders, und du willst Elia doch nicht den Garaus machen.«
Auch Ferdinand und Carlos trafen sich noch einmal. Ferdinand war kurz nach München geflogen und kam jetzt zurück, einen Tag, bevor Carlos wieder nach Barcelona musste, »in voller Besetzung«, wie er sagte, das heißt mit Friederike und den Kindern. Birgit hatte zum Empfang Kuchen gebacken und auch Elia und Carlos eingeladen. Daraus wurde ein gemütlicher Nachmittag. Während Friederike noch die Koffer auspackte, wickelte und fütterte Ferdinand das Baby und half den anderen beim Tischdecken, Carlos tobte mit Ulli draußen im Schnee herum und baute mit ihm einen Schneemann. Später dann wurde mächtig gefachsimpelt, besonders die beiden Männer tauschten ihre Tenor-Erfahrungen aus, und dabei kam das Gespräch auch auf Wagner.
Carlos meinte: »Elia singt demnächst die Elisabeth. Also, der Tannhäuser könnte mich auch reizen.«
Ferdinand wurde ganz aufgeregt: »Um Gottes willen. Vielleicht in zehn Jahren, jetzt wäre das eine Sünde bei deiner Stimme, so wie die strahlt und mühelos die höchsten Höhen erklimmt. Am besten gar nicht.« Carlos schaute misstrauisch, woher wollte Ferdinand das wissen, er hatte ihn doch noch nie gehört. Aber Ferdinand lachte nur: »Hast du eine Ahnung, ich habe dich als Radames in Wien gehört. Ich war hin und weg, aber auch traurig und eifersüchtig auf dich, weil ich das so nie hinkriegen werde, nie im Leben. Darum bin ich auch nicht zu dir hinter die Bühne gegangen.«
Ferdinand selbst hatte schon den David und den Walther von der Vogelweide in Stuttgart gesungen. Bayreuth lockte auch immer wieder mit neuen Angeboten: »Siegmund und so, ich weiß nicht, wie die sich das vorstellen. Die suchen händeringend einen Heldentenor, aber ich bin doch nicht verrückt und ruiniere mir für Bayreuth meine Stimme und kann nachher nicht mehr Mozart singen und alles, was ich sonst noch liebe.«
Carlos nickte verständnisvoll: »Da geht es dir wie mir mit dem Otello, an den trau ich mich auch noch nicht ran. Ja, und das mit der Eifersucht, das kenne ich leider auch, ich habe nämlich eine Aufnahme von dir zu Haus mit der ›Schönen Müllerin‹, ich glaube, wenn ich auf eine einsame Insel zwei, drei Platten mitnehmen dürfte, dann wäre die darunter.«
In ihrer aufwallenden Sympathie füreinander planten sie eine gemeinsame Platte: ›Die zwei Tenöre und ihre Lieblingslieder‹, so was in der Art, und jedenfalls, so viel stand fest, durfte man sich nicht mehr aus den Augen verlieren.
Auf dem Heimweg bekam Elia zu hören: »Der ist ja viel netter, als ich dachte, richtig lieb, wie er sein Baby versorgt und überall mithilft. Und singen kann er allemal toll!«
Bei Ferdinand klang es am nächsten Tag ähnlich: »Dein Carlos ist wirklich sympathisch, dass der mit Kindern so nettsein kann, hätte ich nie gedacht, Ulli schwärmt richtig von ihm. Ehrlich gesagt, ich habe ihn immer für einen eitlen Affen gehalten, sei mir nicht böse, wie der sein hohes C rausgeschmettert hat und sich dann mit dieser Bescheidenheitspose bejubeln ließ, das ging mir ganz schön auf den Keks. Aber jetzt verstehe ich, warum er dir so gut gefällt.« Elia grinste zufrieden.
Gleich nach Carlos’ Abfahrt begann wieder der normale Alltag. Elia und Ferdinand pilgerten zusammen zu den Verständigungsproben für die ›Bohème‹, und nach der anstrengenden Arbeit an der Violetta erschien Elia das Wiedersehen mit der wohlvertrauten Mimi fast wie ein Spaziergang. Sie fand es lustig, Ferdinand auf der Bühne als weltfremden Bohemien zu erleben und zu Hause als fürsorglichen Familienpapa.
»Oh Gott, so von der Hand in den Mund leben, das wäre nichts für mich. Ohne Friederike und die Kinder könnte ich es auch als Sänger nicht aushalten«, sagte Ferdinand.
Ja, so ein schützender Familienhafen, in den man immer wieder zurückkehren konnte, das hatte schon etwas Verlockendes. Wer weiß, vielleicht war Elia auch eher ein häuslicher Typ, aber solange sie mit Carlos unterwegs war, würde sie nie lange vor Anker gehen. Das wusste sie und akzeptierte es, aber eine leichte Wehmut konnte sie
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