Im Schatten der Tosca
luxuriöses Vergnügen, einmal rein privat und ohne Termine an Ort und Stelle zu bleiben. So verbrachten sie eine Woche auf dem Landgut, gemütliche, idyllische Tage und Nächte, in denen Jens Arne seinen ganzen Charme spielen ließ, und Elia immer zutraulicher und auch verliebter wurde.
Trotz des recht wechselhaften, kühlen Wetters fuhren sie, schon damit Adonis und Genoveva genügend Bewegung bekamen, mit der Kutsche spazieren, diesmal allein. Dabei heckten sie gemeinsame Opernpläne aus. Immer wieder fiel Jens Arne etwas Neues ein, und Elia ließ sich mitreißen, auch wenn sie an manche der Rollen, wie die Lady Macbeth, im Lebennoch nicht gedacht hatte: »Wahnsinn, aber wenn du glaubst, ich schaffe das!« Nur gegen die berühmt-berüchtigte Medea, an der Jens Arne besonders lag, sträubte sie sich zunächst, doch mit einer geschickten Mischung aus Charme und Autorität verstand er es, ihre Bedenken auch hier zu zerstreuen.
An den Nachmittagen kuschelte sich Elia in ihren Clubsessel vor dem Kamin, in dem ein munteres Feuer flackerte und knackte, während sich Jens Arne an den Flügel setzte und für sie zu spielen begann: Mondscheinsonate, den ersten Satz, Nocturnes von Chopin, den Liebestraum von Liszt, aus den Phantasiestücken von Schumann. Ein bezauberndes Konzert für sie ganz allein! Ja, das war eigentlich noch schöner, als sie es sich vorgestellt hatte, eine solche Zweisamkeit mit einem Mann.
Oder sie hörten sich zusammen Platten an, Jens Arne besaß in seiner großen Sammlung viele historische Raritäten berühmter Sänger. Bei einigen dieser wunderbar biegsamen, exquisit modulierten, durchglühten Stimmen war es Elia, als erhielte sie, durch alles Rauschen und Knistern hindurch, einen freundschaftlich-kollegialen Gruß, direkt von Herz zu Herz.
Er spielte ihr auch alte Aufnahmen vor, wo er selbst dirigiert hatte, darunter die ›Salome‹, und Elia sollte erraten, welche Sängerin so wild und trotzig und strahlend die Salome sang. Sie erkannte rasch Astrids Stimme, und Jens Arne lachte zufrieden: »Ja, so haben wir das damals gemacht! Nicht schlecht, was? Aber jetzt würde es mich reizen, das Zarte, Empfindsame, Blutjunge dieser Figur herauszustellen, das könnte man auch fast wie Belcanto singen. Das wäre doch was für dich, du hättest auch die Kraft für die Ausbrüche.«
Dann musste Jens Arne nach London zurück, und gerade weil er diese eine Woche freigeschaufelt hatte, drängten sich jetzt die Termine. Elia hatte noch ein paar freie Tage vor sich, in denen sie versuchte, sich in ihrem neuen Heim häuslich einzurichten. Die Wohnung war riesig und ungemütlich, eineGruft, Carlos hatte gar nicht so unrecht gehabt. Vielleicht ließ sich das eine oder andere ändern, obwohl alles wirkte wie für die Ewigkeit hingestellt, festgeschraubt, angenagelt, und Jens Arne hatte sich sicher etwas dabei gedacht, als er sich seine Wohnung so einrichten ließ.
Immerhin, in ihrem eigenen Reich konnte sie herumrücken und umstellen und überlegen, was anders werden musste, vielleicht die Vorhänge, andere Sessel, andere Bilder. Wenn sie mehr Zeit hatte, musste sie noch einmal darüber nachdenken, jetzt kam sie sich eher wie in einem der vornehmen Hotels vor, die sie zur Genüge kannte.
Auch hier hatten Jens Arne und sie getrennte Schlafzimmer, das verwunderte sie am meisten, als Italienerin schien ihr so etwas befremdlich. Aber Jens Arne hatte sie dazu gar nicht befragt, und es war ihr peinlich, ihn darauf anzusprechen. Nein, nein, um Himmels willen, getrennte Schlafzimmer hatten sicher auch ihre guten Seiten, am besten, sie erkundigte sich einmal, wie man das in England im Allgemeinen hielt.
Das erste Engagement nach der Heirat hatte Elia ausgerechnet in Barcelona, mit Carlos. Nicht gerade angenehm, aber irgendwann musste sie ihn wiedertreffen. Jens Arne nahm es sportlich, »Pflicht ist Pflicht«, fast schien es Elia, als amüsiere er sich, in seinen Augen glomm der Blick des Siegers. Carlos wiederum entsprach ganz dem Bild eines in seiner Ehre tief Gekränkten. »Die Macht des Schicksals«, nicht nur auf der Bühne. Auch die Gazetten nahmen sich der Liebestragödie an und titelten genüsslich: »Carlos Ribeira von weltberühmtem Dirigenten ausgestochen.« Immerhin hatte ganz Spanien jahrelang Carlos und Elia als Traumopernpaar vergöttert und echauffierte sich jetzt hingebungsvoll über die Trennung. Elia kam gut dabei weg, sie galt als das beleidigte Opfer, das Rache genommen hatte. Selbstverständlich
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