Im Schatten der Tosca
Druck setzen, genießen wir lieber dieses zauberhafte Fleckchen Erde, diesen Abend.«
Elia seufzte erleichtert und war froh, als er auf seine beruflichen Pläne mit ihr zu sprechen kam. Darüber wurde der Kaviar ausgelöffelt, und die Zeit für die Heimfahrt rückte heran.
Auf dem Kutschbock schwiegen sie beide. Elias wirre Gedanken begannen sich etwas zu lichten. Jens Arnes Antrag hatte sie zunächst schockiert, aber ganz so abwegig fand sie ihn inzwischen nicht mehr. Jens Arne gefiel ihr, er schien ihr ein weltläufiger, gutaussehender Mann. Und als Dirigent und Musiker bewunderte sie ihn, so wie außer ihm nur noch Georges Goldberg und Marcello Rainardi. Die Zusammenarbeit mit ihm war bisher immer sehr anregend und fruchtbar gewesen, und wie es den Anschein hatte, würden sie noch viele spannende Projekte zusammen in Angriff nehmen, darunter auch Rollen, an die sie bisher noch gar nicht gedacht hatte, wie die Ilia aus dem ›Idomeneo‹ oder die Abigaille aus dem ›Nabucco‹, die sie schon lange reizte. Sie könnte zusammen mit ihm die Rollen erarbeiten, Signor Ruteli war schon so alt, wer weiß, wie lange er es noch machte. Sie sah es vor sich, Jens Arne am Klavier, aber nicht in einem kahlen Probensaal, sondern gemütlich zu Hause, sie steckten die Köpfe zusammen über der Partitur, sie diskutierten, probierten ...
Und war es nicht schön, gemeinsam durch die Dämmerung zu rollen? Adonis und Genoveva hatte sie längst ins Herz geschlossen, Glyndebourne, die englische Landschaft, und wenn sie ehrlich war, imponierte ihr Jens Arnes Landgut sehr. Mrs Elia Holsteen, mit klobigen Stiefeln, Kopftuch, Rosenschere und Gartenerde unter den Fingernägeln, ja, warum nicht? Zusammen arbeiten, zusammen reisen, zusammen leben! An einem gemeinsamen Ort. Das heißt, an mehreren Orten, hier das Landgut, dort die »Villa Capretta«, warum sollte sie Jens Arne nicht gefallen? Dass Jens Arne so viel älter war als sie, fand Elia überhaupt nicht schlimm. Bei Bruno und Alina, ihren Großeltern, hatte auch niemand an den großen Altersunterschied gedacht, und vielleicht war die Ehe an sich einfach eine gute Sache ...
Die Kutsche hielt im Hof von Elias Hotelareal und Elia schreckte aus ihren Betrachtungen hoch. Der Groom sprang vom Wagen und half ihr beim Aussteigen. Jens Arne bot sichan, sie bis zu ihrem Cottage zu begleiten. Wenn Elia etwas Mühsames hinter sich bringen wollte oder musste, neigte sie manchmal zu tollkühn-raschen Entschlüssen. Und so blieb sie jetzt stehen, fasste Jens Arne am Arm und sagte ihm mitten ins Gesicht: »Ja, warum eigentlich nicht?«
Diesmal war die Verblüffung an ihm: »Heißt das, Sie wollen mich heiraten?«, fragte er etwas unsicher.
Elia nickte: »Ja, das heißt ... Ja«, schloss sie tapfer.
»Ein Abend der Überraschungen. Ich habe auf diese Antwort für heute nicht mehr zu hoffen gewagt«, versuchte Jens Arne zu scherzen.
»Ich auch nicht«, platzte Elia heraus.
So begann für Elia ein neuer Lebensabschnitt. Der Anfang war vielversprechend: Das »Zauberwort« half. Jedenfalls brach Elia bei der Klage der Dido nicht mehr in Tränen aus.
Die Erste, die von den Heiratsplänen erfuhr, war Mariana, und die war ehrlich entsetzt. Elia hatte sich zwar von ihr keinen Jubel erwartet, aber auch keine solche Empörung. »Heiraten! Jens Arne! Du! Oh Gott, das ist wirklich das Schlimmste, was passieren konnte, der
worst case
! Und ich Unglücksrabe hab geglaubt, der alte Kerl sei vernünftig geworden, ha, dass ich nicht lache! Heiraten, ja, warum auch nicht, was bedeutet das schon für ihn? Dreimal, viermal, fünfmal, nur zu, inzwischen hat er ja Übung. Wenn der eine Frau unbedingt haben will, dann ist ihm jedes Mittel recht. Aber du! Was hast du davon?«
Elia hatte Marianas Tirade erschrocken über sich ergehen lassen, jetzt zögerte sie kurz, dann sagte sie, ganz schlicht: »Dann weiß ich wenigstens, zu wem ich gehöre. Auch im normalen Leben, nicht nur auf der Bühne.«
Marianas Wut sank in sich zusammen, bestürzt starrte sie Elia an, hilflos ließ sie die Arme sinken, mit denen sie gerade noch herumgefuchtelt hatte. Einen Augenblick schwiegen sie beide, dann drückte Mariana Elia an sich, sehr fest, vollerLiebe: »Kind, Kind, das hab ich nicht gewusst.« Nach einer Weile murmelte sie: »Und mit Carlos ging das nicht?«
Elia schüttelte den Kopf: »Immer weniger. Und zum Schluss gar nicht mehr. Da haben wir uns nur noch bei einem gemeinsamen Engagement gesehen. Am Abend zusammen singen
Weitere Kostenlose Bücher