Im Schatten der Tosca
eigenen Auftritten war sie den unvermeidlichen Umgang mit hochwohlgeborenen Gestalten durchaus gewohnt – und hatte es zu großer Kunstfertigkeit darin gebracht, solchen Veranstaltungen auszuweichen. Aber jetzt sollte sie plötzlich als Gattin repräsentieren! Vielleicht würde man sie auch, wie seinerzeit Schumann nach einem Konzert von Clara, fragen: »Sind Sie auch musikalisch?« Elia konnte einen tiefen Seufzer nicht unterdrücken.
Jens Arne hatte sich inzwischen beruhigt und fasste nach Elias Hand: »Schöne, geliebte Frau, ich habe mich sehr nach dir gesehnt, ich habe ganz schlecht schlafen können, du bist wirklich die Seele in diesem Haus, so schnell ist das gegangen. Bist du müde?« Elia schüttelte lächelnd den Kopf: »Nein, nein, ich habe mich ja nach meiner Ankunft ausruhen können.« Aber wer, um Himmels willen, waren Lord Peter und Lady Jane?
Elia ging aus Zeitgründen nicht oft ins Konzert, umso erhebender fand sie es jetzt, in der Royal Albert Hall auf einem Ehrenplatz zu sitzen, während Jens Arne Holsteen, ihr Mann, auf dem Podium stand und dirigierte. Eine ganz neue Situation – auch eine neue Perspektive, denn sonst sah sie ihm von oben herab ins Gesicht, auf die Hände, die Arme. Jetzt, von hinten, fiel ihr auf, wie schmal er war, der fabelhaft geschnittene Frack unterstrich das noch.
Der Abend begann mit einem Stück von Purcell, das Jens Arne ihr zu Ehren aufs Programm gesetzt hatte. Welcher Mann konnte das für seine Frau schon tun! Die Musik enthieltdiesmal nichts, was Elia zum Weinen brachte, aber der alte Zauber wirkte wieder. »Komisch«, überlegte sich Elia, »wenn ich an Wiedergeburt glaubte, dann müsste ich in einem früheren Leben Purcell sehr nahegestanden haben.« Es war wirklich wie ein Erinnern, schon bei den ersten Tönen spitzte etwas in Elia aufgeregt die Ohren.
Nach einer pointierten Haydn-Sinfonie kam nach der Pause Schuberts große C-Dur . Jens Arne brachte die Musiker trotz aller gewerkschaftlichen Stolpersteine in einen wunderbar melodischen Fluss.
»Oh, it’s lovely, he is so wonderful« ,
lächelte Lady Jane beim Applaudieren Elia an. Ob sie damit Schubert oder Jens Arne meinte, ließ Elia dahingestellt, sie war froh, aus Bemerkungen ihrer beiden Schutzengel herausgehört zu haben, woher sie die beiden kennen sollte: Sie waren offensichtlich das einer Boulevardkomödie entsprungene Paar, über das sich Carlos seinerzeit nach dem Essen bei Jens Arne lustig gemacht hatte.
Die Lady trug ein rosarotes Kleid und dazu ein rosaumschleiertes Hütchen, auch viele andere Damen schienen Rosa zu schätzen, aber ebenso Himmelblau oder Hellgrün, lauter Babyfarben. Daneben auch viel Geblümtes, mit Rüschen und Schleifen allüberall, das genaue Gegenteil von den kräftigen Farben und klaren Schnitten, wie sie Elia trug. Sie selbst hatte ein weinrotes Kleid an und Marianas Smaragdohrringe. Als sie zu Jens Arne ins Künstlerzimmer kam, starrte er mit gerunzelten Brauen auf die Ohrringe und dann, wie aus einem Reflex heraus, auf Elias Hand. Ja, oh ja, auch der Ring war da.
Jens Arne wurde im Anschluss an das Konzert wie ein König empfangen, die Leute klatschten, lächelten verzückt, am liebsten hätten sie wohl einen Hofknicks gemacht. Er nickte huldvoll, winkte betont bescheiden den Beifall ab, dann reichte er Elia seinen Arm. Stolz und selbstgefällig, als habe er sie selbst erschaffen, präsentierte er sie. Bei einigen Auserwählten machte er auch ein Späßchen, wie: »Was tut man nicht alles, um eine so begehrte Künstlerin nach London zu locken?«
Vor einer ungewöhnlich kleinen, zierlichen Dame machte er eine tiefe Verbeugung: »Gestatten Königliche Hoheit, Königliche Hoheit meine Gattin vorzustellen?« Die Dame war Prinzessin Margaret, sie wirkte freundlich und munter: »Es ist mir ein Vergnügen, Sie persönlich kennenzulernen, Signora Corelli, Ihre Anna Bolena hat mir enorm gut gefallen. Schließlich handelt es sich um meine Urururgroßmutter, da freut es mich sehr, sie als so interessantes, lebendiges, leidenschaftliches Menschenkind dargestellt zu erleben. Normalerweise erfährt man über die Unglückselige nicht viel. Ja, und Sie hat jetzt der Maestro hierher entführt, wie schön für uns, ich wünsche Ihnen viel Glück auf Ihrem neuen Lebensweg.«
Noch einige weitere Veranstaltungen durchwanderte Elia an Jens Arnes Seite, Cocktailempfänge, Vernissagen, sogar ein Pferderennen. Lauter fremde Gesichter, Elia plauderte, lächelte, nickte, manchmal kam es ihr
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