Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Schatten der Tosca

Im Schatten der Tosca

Titel: Im Schatten der Tosca Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Kaiser
Vom Netzwerk:
vor, als wirke sie in einem Stück mit, von dem sie den Inhalt und auch den Text nicht so richtig kannte, doch immerhin ihre Rolle: »Gemahlin«. Der Text dazu war allerdings ziemlich schlicht, das merkte sie bald: unverfängliche Betrachtungen über Wetter, Haustiere, Gartenpflanzen, gängige Höflichkeiten, nichts wirklich Persönliches. Wie schon ihre Bühnenrollen übernahm Elia auch ihre Rolle als Ehefrau mit Hingabe und studierte, um alles richtig zu machen, die anderen Damen der Gesellschaft. Wie benahm man sich als Gastgeberin? Als Jens Arne ihr vorschlug, sie solle doch für eine geplante Abendeinladung die Speisenfolge mit der Köchin besprechen, geriet sie in Panik: »Bitte, verlang das nicht von mir, ich kenne mich da überhaupt nicht aus. Ich verstehe vom Kochen nicht viel, ich esse nur gerne.« Die Geheimnisse der englischen Küche würden sich ihr wohl nie erschließen, Spaghetti jedenfalls gehörten nicht dazu, so viel hatte sie inzwischen begriffen.
    Zu besinnlichen Nachmittagen wie auf dem Landgut kam es nicht mehr, auch Elias Vorstellung, mit Jens Arne gemütlich an einer Rolle zu feilen, erwies sich als Illusion, dazu warer viel zu beschäftigt. Er kam selbst darauf zu sprechen: »Darling, das ist noch eine von diesen schlechten Junggesellenangewohnheiten, sich zu viel Arbeit aufzuhalsen, aber das wird sich alles ändern, so geht es wirklich nicht weiter, hab Nachsicht mit mir.«
    Dann war es auch schon wieder Zeit, dass Elia sich zu ihrem nächsten Engagement auf den Weg machte. Ihre neue Existenz als Ehefrau hatte sich gut angelassen, aber plötzlich konnte sie es kaum erwarten, auch wieder ihr altes, eigenständiges Leben aufzunehmen. Sie freute sich auf Paris und auf ihre neue Rolle, die Manon Lescaut aus ›Manon‹ von Massenet, die sie unter Giancarlo Morante singen sollte. Vergnügt trällernd packte sie in ihrem schönen Ankleidezimmer die Koffer.
    Beim letzten gemeinsamen Abendessen wirkte Jens Arne von Anfang an schlechtgelaunt. Erst nörgelte er am Essen herum, was er sonst nie tat, dann schwieg er eine Weile verdrossen, um schließlich giftig herauszuplatzen: »Eine widerliche Musik, diese ›Manon‹. Ein Dirigent, der einen solchen Schmachtfetzen aufführen will, muss es wirklich nötig haben. Aber so jemand imponiert in Paris, sonst kommt er nie aus seiner Provinz heraus.«
    Elia protestierte überrascht: »Wenn du damit Giancarlo meinen solltest, dann irrst du dich gewaltig. Dem ist Paris ziemlich schnuppe, aber die Pariser haben ihn so lange bekniet, bis er zugesagt hat, unter der Bedingung, dass ich die Manon singe.«
    Jens Arne verzog spöttisch den Mund: »Das glaube ich gerne, das ist ja schon die halbe Miete für ihn.«
    Elia konnte sich seinen gehässigen Ton nicht erklären, aber wahrscheinlich war er einfach ärgerlich, dass sie schon wieder wegfuhr, und so versuchte sie, ihn mit einem Lächeln zu beschwichtigen: »Sag mal, bist du am Ende eifersüchtig auf Giancarlo?«
    Jens Arne schnaubte verächtlich: »Ich eifersüchtig auf ihn?Ja, auf was denn? Auf ihn als Dirigenten? Dazu müssten wir schon in der gleichen Liga spielen!«
    Elia bekam vor Ärger einen roten Kopf, sie konnte es nicht fassen: »Weißt du eigentlich, dass Giancarlo Morante ein ganz besonders lieber, getreuer Freund von mir ist? Ich habe ihm sehr viel zu verdanken!«
    Aber Jens Arne dachte nicht daran einzulenken: »Das mag schon sein, alles schön und gut. Aber inzwischen bist du ihm entwachsen, du hast jetzt ein Niveau erreicht, wo dir jedes Mittelmaß nur schaden kann.«
    Elia warf ihre zerknüllte Serviette hin und wollte hochspringen, doch Jens Arne machte eine seiner befehlsgewohnten Gesten und nagelte Elia damit auf ihrem Stuhl fest. »Seine Meriten mag Giancarlo Morante haben, und es ehrt dich, dass du zu deinem Freund hältst«, fuhr er in belehrendem Ton fort. »Aber man darf nicht aus Freundschaft berufliche Kompromisse eingehen. Morante ist auf dem internationalen Parkett quasi inexistent – ganz im Gegensatz zu dir.«
    »Woher willst du das so genau wissen? Ich fühle mich sehr wohl in der Provinz, wie du das nennst. Und ich will noch viel mit Giancarlo zusammen machen«, fauchte Elia zurück.
    Jens Arne lächelte milde: »Das werden wir eben ändern müssen. Du bist noch zu jung, um in solchen Angelegenheiten genügend Erfahrung zu haben. Aber du hast ja mich, damit ich dir helfen kann, die Weichen jetzt richtig zu stellen.«
    Als Elia nach dem letzten Bissen aufstand und wortlos

Weitere Kostenlose Bücher