Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Schatten der Tosca

Im Schatten der Tosca

Titel: Im Schatten der Tosca Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Kaiser
Vom Netzwerk:
geheimnisvoll, unnahbar, kapriziös, wie es gerade kam. Aber es strengte sie an und machte ihr keinen Spaß.
    Es kam noch etwas hinzu: Auch einigen Auserwählten unter den Sängern widerfuhr die Ehre, hin und wieder mit Jens Arne speisen zu dürfen, die Übrigen, die nicht mitkommen durften, waren dann eingeschnappt. Elia hatte mit der Auswahl nichts zu tun, weil Jens Arne auch hier einsame Entschlüsse zu fassen pflegte. Da er Widerspruch schlecht vertrug und schnell rechthaberisch wurde, mischte sich Elia so wenig wie möglich ein. Doch wie sollte sie das ihren Leuten erklären? So legte sich über manch eine gerade noch nette Beziehung Frost. Ihre Erfolge hatten diese Kollegen Elia bisher nicht geneidet, aber den allgewaltigen Dirigentengatten verkrafteten sie nicht mehr. Immerhin galt das nur für Produktionen, in denen sie mit Jens Arne zusammenarbeitete. Ohne dass er etwas dazutun musste, sorgte bereits seine Anwesenheit für Verwirrung. Doch wo immer sie alleine auftauchte, herrschten nach wie vor die alten Vertrautheiten. Schon darum verteidigte sie ihre Eigenständigkeit hartnäckig.
    Carlos war ein weiterer Grund. Seit Elias Hochzeit hatten er und Jens Arne nicht mehr zusammengearbeitet. An wem es wirklich lag, hatte Elia noch nicht so ganz herausgefunden.Jens Arne behauptete, Carlos habe einige Angebote kurzerhand ausgeschlagen. Carlos wiederum tat beleidigt, die Form der Anfragen behagte ihm nicht: »Was glaubt der denn, nur so ins Blaue hinein? Wenn er mich wirklich will, soll er es mir sagen, klipp und klar, samt einem Gagenangebot.« Nun gut, die beiden Männer konnten sich wohl nicht leiden, schade, aber möglicherweise nicht zu ändern.
    Carlos war Elias Traumpartner, immer noch. Und bei bestimmten Rollen fehlte er ihr schmerzlich, und zwar gerade, wenn Jens Arne dirigierte. Bei der ›Medea‹ hatte sie das besonders stark empfunden, da hatte sie sich unter Jens Arnes Peitsche schlichtweg vergaloppiert. Auch wenn sie nicht ihm allein die Schuld dafür in die Schuhe schieben wollte, wusste sie doch: Mit Carlos an ihrer Seite als Jason wäre ihr das nicht passiert. Er hatte immer darauf geachtet, dass sie den Boden unter den Füßen nicht verlor.
    Allmählich keimte in Elia der Verdacht auf, dass Jens Arne Carlos bewusst fernhielt. Nicht aus Eifersucht oder männlicher Ehrpusselei, Gott bewahre, er wollte nur niemand dabeihaben, auf den sie ebenfalls hörte und der sein Konzept womöglich abschwächen oder korrigieren könnte. Wahrscheinlich hätte er sie sowieso am liebsten ganz für sich alleine gepachtet und sie vor dem Einfluss anderer abgeschirmt. Daher wohl auch sein sonderbares Gerede über Giancarlo. Noch etwas wies in diese Richtung: Warum sonst hätte er sich nach Jahr und Tag auf das für ihn doch provinzielle Stockholm besonnen und Björn Eksell zu einer ›Salome‹ beschwatzt, die er dort mit Elia zur Aufführung bringen wollte?
    In Stockholm, ihrer heiligen Zufluchtinsel über all die Jahre hin! Wohlvertraut und grundsolide und dabei doch nicht so exponiert wie die anderen großen Häuser, an denen sie inzwischen sang. Elia war völlig schockiert, alles in ihr sträubte sich, sie wollte nicht mitmachen. Jens Arne musste seinen ganzen Charme aufbieten: »Kindchen, das ist eine wunderbare Chance, für mich auch, ich bin ganz aufgeregt, du willst deinemarmen, alten Ehemann doch nicht die Freude verderben! In Stockholm genießt du Narrenfreiheit, was hast du da nicht schon alles ausprobiert, die Senta und sogar die Sieglinde, und jetzt eben die Salome, das ist auch nicht verrückter.«
    Ach, darum ging es doch nicht, aber sie getraute sich nicht, zu ihm sagen: »Da passt du nicht hin. Da will ich allein sein, ohne jeden Stress, mit meinen uralten Freunden. Die lieben mich und nehmen mich, wie ich bin!« Schließlich einigte man sich auf einen Kompromiss: Elia würde wie immer bei Birgit wohnen. Wer weiß, wie lange sie noch lebte, zwar war sie immer noch rüstig, aber sicherlich um die neunzig. Jens Arne sollte im Hotel absteigen, dort konnte er nach Lust und Laune Hof halten, Elia musste nicht immer dabei sein. Der Rest würde sich dann schon ergeben.

    Inzwischen war ein weiteres Jahr vergangen, und der stetige Fluss der Zeit brachte Veränderungen. Bei Jens Arne waren es Strenge und Enge gewesen, mit denen er sein Herz sonst in Schach hielt. Seine Verliebtheit in Elia hatte das durcheinandergebracht, er war weicher geworden, sorgloser, nachlässiger, und sein Herz hatte am losen Zügel

Weitere Kostenlose Bücher