Im Schatten der Tosca
Handbewegung: »Pff, ja, hm«, für einen Augenblick war es, als fiele ein Schatten auf ihr Gesicht, aber dann brach das Strahlen wieder durch: »Mensch, ist das eine schöne Musik, Mozart ist mein Lieblingskomponist. Und weißt du, dass alle Männer hinter deiner Susanna her sind, das hat mich überhaupt nicht gewundert.«
Fulvio kam und wartete mit Sisi auf dem Gang, bis Elia sich umgezogen hatte. Schließlich kam sie mit mehreren Blumensträußen aus der Garderobe, die sie Sisi in den Arm drückte: »Hier, du hast doch gesagt, du magst Blumen, die sind für dich, nimm sie mit nach Hause.«
Vor dem Bühneneingang wartete eine Menschentraube auf die Sänger, Elia gab Autogramme, und Sisi spazierte stolz mit ihren Blumen neben ihr her, sollten die Leute nur sehen, wie nahe sie der Künstlerin stand.
Fulvio hatte einen Tisch im »Weißen Rauchfangkehrer« bestellt, Thomas Schneider und die Sänger der Gräfin und des Figaro waren auch dabei, eine lustige Runde. Nur Jens Arne hatte nicht dazustoßen können, Elia war ganz froh darüber, auch wegen Sisi. Wie oft hatte sie inzwischen erlebt, dass sich gerade noch ganz unbekümmerte Leute in seiner Anwesenheit plötzlich veränderten und krampfhaft versuchten, ihm durch kluge Bemerkungen zu imponieren.
Irgendwann sagte Thomas Schneider: »Das ist schon eine Ewigkeit her, fast zwanzig Jahre, da war ich eine Zeitlang dritter Kapellmeister hier, und da saß manchmal bei den Proben ein blonder Bub hinten, neben der Pauke, ganz still und brav, von dem hieß es, er sei der Sohn von Jens Arne Holsteen. Sag, mal, ist das dein Bruder?«
»Natürlich, der Rudi«, rief Sisi erfreut, »das ist mein großer Bruder!«
»Und was macht der jetzt«, fragte Thomas weiter. Elia hörte stumm zu, da hatte Jens Arne also eine richtige Familie und ihr nie einen Ton davon gesagt. Nun gut, sie selbst betraf es eigentlich nicht, und sie hätte ihn ja auch fragen können, eher fand sie es befremdlich, dass sich Jens Arne um diese Kinder so gut wie gar nicht zu kümmern schien.
Rudi, so erzählte Sisi, war inzwischen in New York. Er hatte kurz an der Hochschule Klavier studiert, weil der Vater das unbedingt wollte, und dann alles hingeschmissen, und jetzt tobte er sich in irgendwelchen Jazzkellern am Schlagzeug aus. Ihn hatte ja schon immer die Pauke fasziniert. Sisi bewunderte und liebte ihren großen Bruder, wenn sie erst ihre Matura hatte, wollte sie auch nach New York.
»Ja, und was sagt dein Vater dazu?«, fragte Elia nun doch.
»Dem ist das egal. Der hatte an dem Rudi einen Narren gefressen,wie meine Mutter sagt. Aber jetzt ist er stocksauer auf ihn, und seitdem kümmert er sich auch um uns einen Dreck, mich hat er sowieso nie leiden können«, brach es aus Sisi heraus.
Es klang nicht einmal bitter, mehr wie eine Feststellung. Elia schaute sie überrascht an, das hätte sie diesem schüchternen jungen Mädchen nicht zugetraut. Donnerwetter, eigentlich gefiel ihr die herzerfrischende Offenheit, die auf eine innere Unabhängigkeit und Energie hinwies. Trotzdem versuchte sie einzulenken: »Na, vielleicht bildest du dir das nur ein.«
Jetzt bekam Sisi wieder ihren ablehnenden Gesichtsausdruck, trotzig schüttelte sie den Kopf. Zum Glück mischte sich Fulvio ein: »Pass mal auf, die Oper heute hat dir doch gefallen, überhaupt der ganze Betrieb hier, wenn du wiederkommen willst, vielleicht auch mal zu den Proben, dann rufst du mich einfach an. Abgemacht?«
Sisis Miene hellte sich auf, den restlichen Abend lachte und plauderte sie vergnügt, und Elia himmelte sie geradezu an, ganz naiv und zutraulich. Nur mit dem Vater sollte man ihr am besten nicht kommen.
Das Wenige, das sie von ihrer Mutter sagte, klang nett und liebevoll, aber auch besorgt, die Mutter war wohl recht ängstlich und menschenscheu. »Von den Blumen wird sie begeistert sein. Sie liebt schöne Sträuße, aber sie bringt es nicht übers Herz, in unserem Garten die Blumen abzuschneiden.«
Elia überlegte sich kurz, ob sie Sisi und ihre Mutter besuchen sollte, Zeit dafür hätte sie gehabt. Aber dann fand sie es doch indiskret Jens Arne gegenüber; die Beziehung zu seiner früheren Frau ging sie im Grunde nichts an. Sisi hingegen hatte sie durch ihn selbst kennengelernt, es schien ihm sogar recht, wenn sie seine Tochter ein wenig unter ihre Fittiche nahm. Fulvios Angebot war ein guter erster Schritt, wenn Sisi wollte, konnte sie sicher davon profitieren. Ohne dass der Vater dabei ins Spiel kam.
Vielleicht hatte Elias
Weitere Kostenlose Bücher