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Im Schatten der Tosca

Im Schatten der Tosca

Titel: Im Schatten der Tosca Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Kaiser
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Schulter, wie verwirrt und erschöpft sie war, fiel ihm in seiner Euphorie nicht auf.
    Auch bei den weiteren zwei Vorstellungen, die rasch aufeinanderfolgten, gestaltete Elia die Medea mit rücksichtsloser Selbstentäußerung. Jens Arne war der Letzte, sie bei ihren Parforceritten zurückzuhalten. Auch er übernahm sich dabei, zumal er zwischen den Vorstellungen noch an anderen Projekten weiterarbeitete. Schließlich war er es, der Elia vorschlug: »Wir sollten uns für ein paar Tage aufs Land verziehen. Ich bin doch nicht mehr der Jüngste und muss mich erholen.«
    Enorme innere Anspannung hatte Elia, solange es nötig war, wie ein Korsett zusammengehalten. Doch nun in der ländlichen Ruhe war es Elia, als löse sie sich auf, bröckle auseinander, alles in ihr, ihr Kopf, ihr Leib, jeder Muskel, so etwas von Erschlaffung hatte sie noch nicht erlebt. Jens Arne war doppelt so alt wie sie und erholte sich in der halben Zeit. Während er bereits wieder munter kutschierte, schlief sie neben ihm auf dem Kutschbock ein. Er blickte zu ihr hinüber: »Tapferes Mädchen.« Er war immer noch stolz und zufrieden, Elia für sich erobert zu haben. Nicht nur die Sängerin, auch die rassige Frau. Sie konnte so köstlich geradeaus sein, so herzerfrischend und ansteckend lachen, dass er manchmal mitlachen musste wie ein alberner kleiner Junge. Ja, bei Gott, statt so viel zu arbeiten, wollte er sich endlich mehr Zeit nehmen für seine junge Ehefrau und es sich gut gehen lassen mit ihr. Ein erstaunliches Menschenkind, so anders als die Frauen, die er bisher kennengelernt hatte, naiv und zugleich uralt wissend, aufbrausend und verschmust, schüchtern und todesmutig. Ach ja, man wollte, man sollte, man müsste ...

    Immer häufiger sang Elia unter Jens Arne, die gemeinsame Planung aus den ersten Ehewochen wirkte sich jetzt aus. Beide waren sie in Hochform und stachelten sich in ihrem Arbeitseifer noch an, so kam eine Reihe bemerkenswert perfekter, erfolgreicher Aufführungen zustande. »Ein wirklich unschlagbares Team«, als solches liebte sie auch das Publikum und lobte sie die Presse.
    Privat galt zwischen ihnen die schlichte Regel: Wo immer sie hinkamen, stets richtete sich alles nach Jens Arne. Darüber wurde gar nicht gesprochen, die Sekretärin hatte längst alles geplant. Sie wohnten, wo Jens Arne immer abzusteigen pflegte, aßen in seinen Lieblingslokalen, trafen sich mit seinen Bekannten. Elia wusste nicht so recht, was sie davon halten sollte. Die meisten Örtlichkeiten kannte sie aus eigener Erfahrung, aber man hätte sie, so fand sie, wenigstens um ihre Meinung fragen können. Aber vielleicht war das bei Ehepaaren so, da bestimmte eben der Ältere und Erfahrenere. Zudem erwies es sich als praktisch. Sie musste sich um nichts kümmern, man flog erster Klasse, gelegentlich auch mit einem Privatflugzeug, im Schlafwagen hatte jeder sein eigenes Abteil, und die Unterkunft war überaus nobel. Diese privilegierte Lebensweise imponierte Elia auch. Zwar hatte sie schon vorher höchst angenehm gelebt und war, wohin sie auch kam, sehr zuvorkommend und freundlich behandelt worden, aber das war nichts im Vergleich zu dem Gewese, das Jens Arnes Erscheinen überall auslöste. Alles funktionierte märchenhaft: kaum gedachte Wünsche waren im Flug erfüllt, undenkbar, einen Koffer auch nur ein paar Meter selbst zu tragen, die Präsidentensuite war eben doch komfortabler als das schönste Doppelzimmer. Und sogar in der Oper wurde Elia noch mehr umhegt als bisher, als Gattin des Dirigenten avancierte man offenbar zu einer Art Königin.
    Wie alles hatte auch das Luxusleben seinen Preis: Bisher hatte Elia gerne mit den Kollegen zusammengegluckt, auch wenn Carlos dabei war, nun, mit Jens Arne, ging das nichtmehr. Das harmlose Gerede und Gefachsimple enervierte ihn, die einfache Küche schmeckte ihm nicht, das Wenige, das er aß, ein spezieller Salat, Hummer, ein Steak, ein paar Austern, hatte taufrisch und fettarm zu sein, und das, bitte sehr, in gepflegtem Rahmen. Solange Elia mit ihm allein bei Tisch saß, hatte sie nichts dagegen, doch wie oft tauchten irgendwelche anderen Gestalten auf! Musikalisch meist unbedarft, ein Klüngel von Bewunderern, der sich um Jens Arne scharte. Je nach ihrer eigenen Verfassung reagierte sie heiter und gelassen, aber manchmal auch völlig allergisch. Dann verfiel sie in stummes Entsetzen oder sie reagierte aggressiv, sogar arrogant und schnippisch. Manchmal gab sich Elia auch einen Ruck und kehrte die Diva heraus,

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