Im Schatten der Tosca
schien das Wichtigste, endlich hatten sie wieder einmal Zeit füreinander.
Die Jacht war noch sehr viel größer und luxuriöser, als Elia vermutet hatte, ein schwimmender, strahlend weißer Palast, alles vom Edelsten, Feinsten. Sogar bei den Bildern an den Wänden handelte es sich um Originale, von den Alten Meistern über die Impressionisten bis hin zur Popart. Lediglich die Menschen – von der makellos korrekten Besatzung einmal abgesehen – entsprachen nicht ganz der erlesenen Perfektion des Schiffes. Das fing an bei Panaiotis Patamiamos, dem Eigner, einem bulligen, untersetzten, ungewöhnlich haarigen Mannsbild. Überall kräuselte es sich schwarz, noch aus den Ohren, an den Fingern, der Brust allemal, aber auch auf dem Rücken, wie man zu sehen bekam, wenn er in einer knielangen Badehose mit nacktem Oberkörper über Deck spazierte. Ein echter Seebär, mit klugen, spähenden Augen, undurchschaubar, und, wenn er wollte, mit großem Charme.
Auch die Gäste eine erstaunliche Menagerie. Ihnen allen war ein absolut unerschütterliches Selbstbewusstsein eigen, dazu viel, sehr viel Geld. Dagegen war selbst Jens Arne fast ein armer Schlucker, so viel konnte man in der Welt der Kunst gar nicht dirigieren, wie ein Ölmagnat, Waffenhändler, Großreeder, Zigarettenkönig zusammenbrachte. Eine Welt ganz für sich, sehr anders als die von Elia ungeliebten Gestalten, die sonst Jens Arne umschwärmten. Gar nicht unsympathisch, zumindest nicht uninteressant. Und doch schien es Elia, als sei sie unter diesen Milliardären, in diesem absurden Luxus fehl am Platz. Der eigentliche Grund für ihr Unbehagen war allerdings Jens Arnes Verhalten.
Elia hatte sich von dieser Reise wohl eine Mischung aus nachgeholten Flitterwochen und Ehe-Entschlackungskur erwartet, die alle inzwischen angehäuften Mühseligkeiten und Kümmernisse in Wohlgefallen auflösen würde. Sie hatte sich so gut wie nichts zum Lernen und Arbeiten mitgenommen, um ganz für Jens Arne da zu sein und ihm wieder nahekommen zu können. Der jedoch schien auf so viel Zweisamkeit gar nicht erpicht. Stets wusste er es so einzurichten, dass irgendjemandvon den Mitreisenden um sie war, wo ein Grüppchen beisammensaß, gesellte er sich lächelnd dazu, Vorübergehende winkte er einladend herbei. Wenn er und Elia einmal allein nebeneinander auf ihren Liegestühlen lagen, klappte er eine Partitur auf und versank, summend und mit dem Kopf nickend, in das Studium einer Mahlersinfonie, jeden Tag eine andere. Abends in der Kabine schloss er die Augen und schlief sofort ein, wie das ältere Herren zu tun pflegen.
Überhaupt nahm bei ihm mehr und mehr die reife Gesetztheit zu. Eine Zeit lang hatte Verliebtheit seine jungenhafte Seite belebt, jetzt kehrte er Elia gegenüber gerne seine Lebenserfahrung heraus: »Ach, Kindchen, in deinem Alter . . .« Darum behagte es ihm auch so im Kreise der anderen Gäste, das Durchschnittsalter dort mochte um die fünfundfünfzig sein. Wenngleich einige der Damen dank virtuoser Chirurgenkünste noch recht jugendfrisch aussahen, war Elia doch mit Abstand die Jüngste.
Noch etwas unterschied sie von den anderen Damen: Sie alle trugen bekannte Namen, den ihrer Ehegatten oder ihrer Vorfahren. Nur Elia hatte sich als Einzige selbst einen Namen gemacht. Auch wenn sich die wenigsten der Mitreisenden für Oper interessierten, von Elia Corelli hatten sie alle schon gehört oder sie sogar schon auf der Bühne gesehen. Eine Premiere in der Met, der Scala oder anderen großen Häusern war schließlich ein gesellschaftliches Ereignis, wo man sich gerne traf. Jetzt waren sie alle neugierig. Eine Multimillionärin erregte auf diesem Schiff kein Aufsehen, aber eine berühmte Künstlerin konnte man nicht alle Tage aus der Nähe miterleben. Dass sie mit dem großen Jens Arne Holsteen verheiratet war, machte die Sache noch spannender. Elia fand allgemein Anklang, bei den Herren sowieso, aber auch bei den Damen, sie war eine eigenwillige Schönheit, die Eleganz ihrer Kleidung unterstrich das noch.
Diese Eleganz forderte allerdings ihren Tribut: Ihr Leben lang hatte sie sich im Wasser wie ein Fisch getummelt, undauch jetzt wäre sie liebend gerne kopfüber ins Meer gesprungen, wenn die Jacht zum Baden vor Anker ging. Aber plötzlich überfielen sie Hemmungen, so schön geschminkt, so stilvoll frisiert und in einem so edlen Badedress? Darum stieg sie zimperlich über eine Leiter ins Wasser und schwamm ein paar zaghafte Runden, mit hochgerecktem Kopf. Und da das
Weitere Kostenlose Bücher