Im Schatten der Vergeltung
erheben. Beherzt trat Maureen an die andere Seite des Bettes.
»Clifford Murdoch«, sagte sie laut, »es ist an der Zeit, Eurer Frau die Wahrheit über Euer schändliches Leben zu sagen, denn bald steht Ihr vor Eurem Schöpfer, der gegenüber Euren Taten keine Gnade walten lassen wird.«
»Wer zum Teufel ist das? Wen hast du mitgebracht, Louisa?«, knurrte Murdoch und versuchte, den Kopf in die Richtung, aus der Maureens Stimme gekommen war, zu wenden. Das eiserne Gestellt verhinderte die Bewegung, und er zerrte an den Armfesseln.
»Clifford ...«, Louisas Stimme war dünn und piepsig wie die eines aus dem Nest gefallenen Vögelchens. »Maureen, die Frau, die sich um die Kinder kümmert, hat mich begleitet. Sie ... sie hat keine Angst vor dir«, fügte sie hastig hinzu, wobei ihr eigener Tonfall verriet, wie unwohl sie sich fühlte.
»Ich wüsste nicht, was ich einer Angestellten zu sagen hätte«, entgegnete Murdoch aufgebracht. »Verschwinde aus meinem Zimmer, ich will mit meiner Frau allein sprechen!«
Offenbar war sein Geist nicht verwirrt, zumindest war seine Stimme herrisch und befehlend wie immer. Maureen registrierte es und schüttelte den Kopf, dann fiel ihr ein, dass er sie ja nicht sehen konnte.
»Die Zeit der Wahrheit ist gekommen, Murdoch. Was ist Euer Leben noch wert? Wie ein Stück Vieh vegetiert Ihr vor Euch hin. Könnt Ihr Euch vorstellen wie es wäre, keine schmerzlindernde Medizin mehr zu bekommen?«
»Maureen, aber warum ...«, rief Louisa, zur gleichen Zeit fragte Murdoch: »Wo sind Joshua und Harris? Was hast du mit ihnen gemacht? Was für ein Spiel wird hier getrieben?«
Maureen lachte bitter.
»Wir beenden das Spiel, das Ihr vor vielen, vielen Jahren in Schottland begonnen habt. Wenn Ihr Euch artig an die Spielregeln haltet, dann gibt es als Gewinn vielleicht etwas, das Eure Schmerzen lindert.«
Erschrocken wich Louisa zur Tür zurück, ihre Hand tastete nach dem Knauf.
»Ich gehe jetzt ... Fühle mich so schwach ...«
Maureen ergriff Louisas Arm, zog sie an Murdochs Bett zurück und drückte sie auf einen Stuhl.
»Ihr bleibt und hört Euch an, welches Verbrechen dieser feine Herr hier begangen hat. Ihr werdet erkennen, dass Ihr Euch niemals wieder vor ihm zu fürchten braucht. Hat er je von seiner Zeit als Offizier in Schottland erzählt? Bestimmt nicht, denn es wäre zu unehrenhaft, zu berichten, wie er die wehrlosen Schotten einfach abgeschlachtet hat.«
Das, was unter dem Tuch von Murdochs einstmals feisten Gesicht noch zu sehen war, verzog sich qualvoll.
»Mein Kopf!«, stöhnte er. »O mein Gott, ich brauche etwas gegen die Schmerzen!«
»Noch nicht, Murdoch«, zischte Maureen. »Erst wirst du mir meine Fragen beantworten.«
Die Schmerzattacke war so stark, dass er Maureens ungebührliche Anrede nicht hörte oder ihr keine Beachtung schenkte.
»Maureen ... bitte!«, bat Louisa unsicher und schielte zu der Medizinflasche, aber Maureen beachtete sie nicht.
»Was willst du?«, würgte Murdoch schließlich hervor.
»Was ich will? Wie wäre es mit den Namen der beiden Männer, die zusammen mit dir ein armes Mädchen ins Unglück gestürzt haben?«
»Hä?« Wovon, in drei Teufels Namen, sprach das Weib? »Ich habe dir vom ersten Tag an misstraut, denn Eine wie du arbeitet normalerweise nicht für andere Menschen. Dass du so unverfroren bist, mir dumme Fragen zu stellen und es an der gebührlichen Anrede fehlen zu lassen, nur weil ich vorübergehend ans Bett gefesselt bin, hätte ich nicht erwartet«, sagte er ungewöhnlich klar, wurde aber gleich darauf wieder von einem so heftigen Schmerz gepeinigt, dass er sich aufbäumte und stöhnte.
Maureen griff zu dem Opium und gab wenige Tropfen auf den Löffel.
»Ich gebe dir ein wenig Medizin. Sie wird deine Schmerzen lindern, die Wirkung hält aber nicht lange an. Mehr bekommst du erst, wenn du mir alles, aber wirklich alles über Culloden und was danach geschehen ist, erzählt hast. Hat nicht auch deine Frau das Recht, die Wahrheit zu erfahren?«
Gierig leckte Murdoch den Löffel ab, den ihm Maureen in den Mund steckte. Er schluckte und für einige Augenblicke trat eine absolute Ruhe ein. Dann sagte er leise: »Ich wüsste nicht, was ich einer Kinderfrau zu erzählen habe. Außerdem verlange ich von dir, dass du mit gebührlichem Respekt mit mir sprichst. Ich bin immer noch der Mann, der dir Lohn und Brot gibt.«
»Respekt? Vor dir?« Maureen schnaubte zynisch. »Es gibt keinen Grund, warum ich einem Verbrecher Respekt
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