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Im Schatten der Vergeltung

Im Schatten der Vergeltung

Titel: Im Schatten der Vergeltung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Michéle
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Gegen acht Uhr am Abend fütterte er Murdoch wie ein Baby, danach flößte er ihm das Betäubungsmittel ein, das ihn bis zum Morgengrauen schlafen ließ. Es gab also nur eine Möglichkeit ...
    M aureen musste noch vier Tage warten, bis Harris am Abend mit dem fast vollen Tablett aus Murdochs Zimmer in die Küche kam. Der Herr nahm kaum noch etwas zu sich, was niemanden überraschte. Harris meinte, er würde jetzt für ein Stündchen hinunter ins Dorf gehen. Golham gestattete es ihm mit hochgezogenen Augenbrauen. Es war allgemein bekannt, dass sich der Kammerdiener mit einem Mädchen traf. Nun, solange er seine Arbeit nicht vernachlässigte und nicht erst im Morgengrauen zurückkehrte, sollte Harris diese Freude gegönnt sein. Schließlich schlief Murdoch die meiste Zeit, und in der Nacht wich Joshua nicht von seiner Seite.
    Maureen wartete, bis Harris das Haus verlassen hatte, dann ging sie in den ersten Stock und klopfte an Murdochs Tür. Mit einem brummigen »Was is’ denn?« öffnete Joshua die Tür und starrte sie grimmig an. Sie setzte ihr unschuldigstes Lächeln auf und reichte ihm einen Krug.
    »Mister Golham schickt mich. Er findet, du hast eine Pause verdient.«
    »Hä?« Verständnislos starrte Joshua auf den Krug, wich aber mit seinem bulligen Körper keinen Schritt aus dem Türrahmen, so blieb Maureen der Einblick verwehrt. Sie meinte jedoch, im Hintergrund ein verhaltenes Stöhnen zu hören. Murdoch schien also noch wach zu sein.
    »Harris ist ausgegangen«, sagte Maureen wahrheitsgemäß. »Wir finden, du solltest dir auch mal eine kleine Freude gönnen, darum bat mich der Butler, dir das Bier zu bringen.«
    Sie schwenkte den Krug mit dem dunklen, starken Gebräu vor seinem Gesicht und sah das begehrliche Funkeln in Joshuas Blick. Endlich trat er einen Schritt zur Seite, und Maureen huschte so schnell ins Zimmer, dass er sie nur verblüfft anstarrte, sie aber nicht daran hinderte. Maureen tat, als interessiere sie sich nicht für Murdoch, sondern stellte den Krug auf den Tisch. Mit einem Seitenblick auf Murdoch griff Joshua nach dem Bier und nahm einen ausgiebigen Schluck. Das Bier war kühl und rann erfrischend die Kehle hinab. Vielleicht war der Geschmack etwas bitter, aber er hatte seit Wochen kein Bier mehr zu trinken bekommen, daher setzte er den Krug gleich ein zweites Mal an. Grunzend leerte er ihn bis auf den letzten Tropfen, gleich darauf entrang sich ein lauter Rülpser seiner Kehle.
    Maureen beobachtete ihn genau und hoffte, dass die Dosis stark genug gewesen war. Joshua Dearks war ungewöhnlich groß und kräftig, sie hatte keine Ahnung, wie viel Opium dieser Mensch brauchte, um ein paar Stunden zu schlafen.
    Am Vortag war es Maureen gelungen, sich etwas von dem Rauschmittel abzufüllen. Dass Fehlen hatte offenbar niemand bemerkt. Jetzt hatte sie das Opium mit frischem Bier vermischt, das in alter Tradition im eigenen Brauhaus gebraut wurde. Von Lauras Pflege wusste Maureen, die Wirkung würde binnen kurzer Zeit einsetzen, so begann sie, die Kissen auf den Stühlen aufzuschütteln und zurechtzulegen.
    »Danke«, brummte Joshua und wies mit der Hand zur Tür. Eine deutliche Aufforderung für Maureen zu gehen.
    »Ich soll dir von Golham ausrichten, er ist dir sehr dankbar, wie aufopfernd du dich um den armen Herrn kümmerst«, versuchte Maureen ein Gespräch anzufangen. Verflixt, wie lange dauerte es denn noch? Vielleicht war die Mischung doch zu gering gewesen? Sie hatte nicht gewagt, mehr Opium zu nehmen, denn sie wollte den Pfleger ja nicht umbringen.
    »Muss jetzt die Medizin geben«, nuschelte Joshua und gähnte. Er torkelte, suchte an einer Stuhllehne Halt und fuhr sich mit der anderen Hand über die Augen. Ein erneutes Gähnen.
    Maureen trat neben ihn und sprach leise auf ihn ein: »Du musst dich ausruhen, Joshua. Bist den ganzen Tag auf den Beinen, um dich um den Herrn zu kümmern. Leg dich ein Weilchen hin, ich werde ihm heute seine Medizin geben.«
    Sie frohlockte, als sich der grobschlächtige Mann willenlos zu der Bettstatt führen ließ und wie ein nasser Sack darauf niedersank.
    »Ich bin so ... Der Herr ... Medizin ...«, brabbelte er, dann schloss er die Augen und schlief ein.
    »Na endlich«, murmelte Maureen und sah zu Murdoch. Hatte er etwas mitbekommen? Bis auf ein paar unverständliche Geräusche war kein Laut von ihm gekommen. Maureen sah, wie sich seine Finger unter den Fesseln auf und ab bewegten.
    »Louisa?« Ihr stockte der Atem, als sie den Namen hörte. »Bist du

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