Im Schatten der Vergeltung
erledigen, dann reise ich von dort direkt nach Schottland. In zwei oder drei Tagen werde ich Cornwall verlassen.«
Es gab nichts mehr, das Monja noch sagen konnte. Sie hatte ihre Herrin für ihre Entschlossenheit immer bewundert und wusste, dass ihre Entscheidung gefallen war. Wenn sie ehrlich war, freute sie sich, wieder in die Stadt zurückzukehren. Dort gab es Theater, Musik und Tanz, und irgendwo auch einen Mann, der ihr das Leben bieten konnte, das Monja sich erträumte.
Maureen setzte sich, um der Zofe ein Zeugnis auszustellen, und Monja blieb nichts anders übrig, als ihre wenigen Habseligkeiten zu packen. Eine Stunde später verließ Maureen den Gasthof, um Linnley darüber zu informieren, dass der Bankrott die gerechte Strafe für sein Verbrechen war.
22. Kapitel
D ie Sonne warf ihre letzten Strahlen auf die knospenden Stauden der Rosenbüsche. In einem Monat würden die Hecken und Sträucher von farbenfrohen Blüten und die Luft von schweren, süßen Düften erfüllt sein.
»Ich werde es nicht mehr sehen. Ich werde es niemals wiedersehen und den Duft riechen«, murmelte David Linnley und strich über eine Ranke. Ein Dorn bohrte sich in seinen Daumen. Die Wunde blutete sofort, es kümmerte ihn aber nicht. Sein Leben war zerstört, es gab nichts, was ihn jetzt noch verletzten konnte.
Linnley Park war seit fünf Generationen im Familienbesitz. Jeder Linnley hatte das Haus umgebaut und erweitert und den jeweiligen eigenen Stil hinterlassen. Er hatte nichts von alledem getan. Nicht nur das – er hatte alles ruiniert! Linnley Park war für die Familie unwiderruflich verloren. Ein wohlhabender Minenbesitzer von der Nordküste hatte den Zuschlag erhalten. Welche Ironie! Der Mann war durch den Abbau von Zinn vermögend geworden, und mit Linnley Park erhielt er eine weitere Mine, die ihm noch mehr Geld einbringen würde. Am Nachmittag war Linnley in der Galerie gewesen, und seine Vorfahren hatten ihn aus ihren geschnitzten Rahmen bitter und vorwurfsvoll angeblickt. Er, David Linnley, hatte Schande über die Familie gebracht, hatte aus Habgier und Raffsucht alles, das Generationen vor ihm aufgebaut und gehegt und gepflegt hatten, in den Dreck gestoßen. Es war nicht nur sein Erbe gewesen, sondern auch das seines Sohnes, jetzt musste George von der Wohltätigkeit seiner Schwiegereltern leben. Gebückt und schleppend wie ein Greis schlich Linnley den Weg zum Teich hinunter. Es war beinahe schon dunkel, er dachte aber nicht daran, ins Haus zurückzukehren. Eine letzte Nacht blieb ihm noch. Bis morgen Mittag musste er das Haus verlassen haben. Die Bank hatte sich zwar mit dem Erlös aus der Versteigerung zufrieden gegeben, es waren aber immer noch die immensen Schulden für den Bau der Mine, die die Gläubiger von ihm forderten, und er hatte keinen einzigen Penny mehr in der Tasche.
Zweihunderttausend Pfund! Die Schulden würden ihn bis ans Ende seiner Tage im Schuldgefängnis schmachten lassen. Er war erst dreiundfünfzig Jahre alt und gesund. Der Tod würde noch lange, sehr lange auf sich warten lassen.
Der Tod ...
Nicht zum ersten Mal in den vergangenen zwei Wochen dachte Linnley an den ewigen Schlaf. Die Augen schließen, sanft dahinschlummern und nie wieder aufwachen ... Welch‘ verlockende Vorstellung! Keiner konnte dann mehr Geld von ihm fordern, das er nicht hatte und das er niemals verdienen könnte. Einmal hatte David daran gedacht, in die Armee zurückzukehren. Abgesehen davon, dass er zu alt war und zu lange keine Waffe mehr in der Hand gehalten hatte – bevor er jemals wieder in den Krieg ziehen würde, war die Aussicht eines schnellen, schmerzlosen Todes weitaus verlockender. Unwillkürlich dachte er an seine Nachbarin Maureen Trenance. Würde er sie da drüben – wo immer es auch war – wiedersehen?
Die Besten holt Gott zuerst, schoss es ihm durch den Kopf. Wenn auch nur eine Spur Wahrheit darin steckte, dann musste er noch lange auf seinen natürlichen Tod warten. Denn für die Sünden, die er begangen hatte, gab es keine Absolution.
David Linnley war nicht gläubig. Er hatte mit seiner Familie regelmäßig zwar die Gottesdienste besucht, an einen Gott, der so viel Krieg, Elend und Leid auf der Welt zulässt, konnte er aber nicht glauben, auch nicht an das Gerede von Himmel und Hölle.
»Sollte es so etwas wie einen Himmel geben, dann ist Maureen bestimmt dort«, murmelte er vor sich hin.
Er nahm einen flachen Stein auf, warf ihn mit einer lockeren Handbewegung auf die Wasseroberfläche
Weitere Kostenlose Bücher