Im Schatten der Vergeltung
fragte Monja.
Maureen zuckte mit den Schultern. »Wenn er nicht irgendwo einen finanzkräftigen Geldgeber findet, sehe ich schwarz für ihn.«
»Das Anwesen ist letzte Woche versteigert worden. Sind damit die Schulden beglichen?«
Diese Information hatte Monja am Hafen von Fowey von den Klatschweibern erfahren. Die Einheimischen waren gegenüber einer Fremden zwar skeptisch und zurückhaltend, Linnleys Bankrott erregte die Gemüter aber sehr, und allerorts wurde darüber diskutiert. So war es für Monja ein Leichtes gewesen, sich still und unauffällig unter die Leute zu mischen und deren Worten zu lauschen.
»Hat Lady Linnley ihren Mann tatsächlich verlassen?«, fragte Maureen mit wachsbleichem Gesicht, denn ihr Magen schmerzte so heftig wie nie zuvor. Stöhnend sank sie auf die Bettkante.
»Mylady, was ist mit Euch? Seid Ihr krank?«
»Es ist gleich vorbei«, winkte Maureen ab. »Nur ein wenig Übelkeit.«
Skeptisch runzelte Monja die Stirn. »Seit Wochen merke ich, dass Ihr Euch nicht gut fühlt, auch wenn Ihr versucht habt, es vor mir zu verbergen. Ihr müsst einen Arzt aufsuchen.«
Maureen nickte, der Schmerz ließ langsam nach.
»Ich muss noch eine Sache erledigen, dann werde ich ärztlichen Rat einholen.« Maureen plante, in den nächsten Tagen in die Cotswolds zu fahren und Cedric Collingford die Wahrheit zu gestehen. Wenn er Frederica wirklich liebte, würde er zu ihr zurückkehren. »Jetzt erzähl aber, was du über Linnley erfahren hast.«
Monja nickte eifrig. In dieser Beziehung war sie wie die meisten Dienstmädchen – immer zu Klatsch und Tratsch bereit.
»Ein Knecht von Linnley Park erzählte, es hätte einen furchtbaren Streit gegeben. Der Mann wollte die Worte, die Lady Linnley ihrem Mann an den Kopf geworfen hat, vor den Frauen nicht wiederholen. Er sagte, sie habe ihn einen erbärmlichen Versager genannt, der in seinem armseligen Leben noch nie etwas Anständiges zustande gebracht hätte.«
Monjas Worte deckten sich mit dem, das Maureen selbst in Erfahrung hatte bringen können. Als Mann verkleidet hatte sie sich am Nachmittag im Hafen in der Nähe der Fischerboote aufgehalten. Lady Esther hatte alles, das in zwei Kutschen passte aus dem Haus geholt und war vor Zorn bebend mit ihrem Sohn und dessen Frau abgefahren, ohne ihrem Mann noch einen Blick zu gönnen. Man sagte, sie würde künftig im Hause von Georges Schwiegereltern leben. Was es für eine Frau wie Esther Linnley bedeutete, für den Rest ihres Lebens auf die Mildtätigkeit anderer Menschen angewiesen zu sein, konnte Maureen sich lebhaft vorstellen. Obwohl sie Esther Linnley oft zum Teufel gewünscht hatte – sie war eine richtige Dame und würde mit diesem Schicksalsschlag nur schwer fertig werden.
»So ein schöner Besitz«, unterbrach Monja ihre Gedanken, und ihr Blick ging träumerisch in die Ferne. »Schade, dass ich das Haus nicht ersteigern konnte, ich würde dort gern leben.«
Maureen lachte laut. »Du? Selbst wenn du das Geld hättest, was wolltest du mit einem Besitz wie Linnley Park anfangen?«
Trotzig schob Monja das Kinn vor. »Ich würde leben! Ganz einfach leben und niemals wieder arbeiten. Den ganzen Tag wären Diener um mich herum die mich bedienten. Ich bräuchte nur mit den Fingern zu schnipsen, und man würde mir die köstlichsten Speisen und süßesten Weine bringen.«
Maureen trat zu Monja, deren Blick verklärt auf einen Punkt in der Ferne gerichtet war. Leicht strich sie ihr über das Haar.
»Jeder Mensch braucht seine Träume. Leider sieht die Realität anders aus. Jetzt aber Schluss damit! Reich mir bitte das weiße Kleid.«
Monja runzelte die Stirn. »Ihr wollt ausgehen? Jetzt? Aber es wird bald dunkel. Und warum wollt Ihr ein Kleid anziehen? Seit Ihr jetzt wieder eine Frau?«
Maureen sah sie streng an. So gern sie das Mädchen auch hatte, sie stellte zu viele Fragen und schien zu vergessen, wer ihre Herrin war.
»Das Kleid!«, forderte sie darum strenger als es ihre Art war.
Maureen hatte aus London neben der praktischen Männerkleidung auch zwei Kleider mitgenommen. Das eine hatte sie bei ihrem Besuch bei Rutherledge getragen, das andere bestand aus einem Hauch von weißem Musselin, der mit dunkelgrünen Seidenbändern unter der Brust gerafft wurde. Für die Jahreszeit war der Stoff eigentlich zu dünn, Maureen hatte aber Gründe, es heute zu tragen. Geschickt drapierte Monja die kurzen Haare unter einer weißen Haube und ließ ein paar Strähnen in die Stirn fallen.
»Die Perlenkette,
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