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Im Schatten der Vergeltung

Im Schatten der Vergeltung

Titel: Im Schatten der Vergeltung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Michéle
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sollen, wenn dieser nicht ihr Vater wäre?«
    »Ganz einfach, meine Liebe, weil McCorkindale einst ein angesehener Clanführer war und Bothy Castle ein herrschaftlicher Besitz«, erklärte Philipp. »Sollte Laura wirklich seine Tochter sein, dann stammt sie aus einem weitaus älteren Adelsgeschlecht als die Trenance und ist damit unserer Familie um einiges überlegen, auch wenn die schottischen Adligen ihre Rechte verloren haben. Du erlaubst, dass ich diese Vorstellung zunächst einmal in Zweifel ziehe.«
    »Kann das denn möglich sein?«, flüsterte Maureen mit kalkweißem Gesicht. »Warum hat meine Mutter darüber immer geschwiegen?«
    Frederica rutschte aufgeregt auf ihrem Stuhl hin und her. Es war ihr schwergefallen, der Unterhaltung schweigend zu folgen, jetzt platzte sie heraus: »Ich kenne kein anderes Mädchen, das noch einen Urgroßvater hat. Wann besuchen wir ihn?«
    Maureen hob abwehrend die Hände.
    »Meine Mutter wird ihre Gründe haben, warum sie mir ihre Familiengeschichte verheimlichte. Ich muss erst noch einmal in Ruhe mit ihr sprechen. « An Philipp gewandt fuhr sie fort. »Kaum zu glauben, dass meine Mutter keineswegs ein armes Bauernmädchen war, für das sie gehalten wurde. Jetzt verstehe ich, warum ich immer dachte, sie wäre etwas Besonderes und sie passe nicht in die Kammer über den Stallungen. Obwohl alles um sie herum verkommen und schmutzig war, machte Laura immer den Eindruck, als wäre sie ... eine Lady.« Sie seufzte und schenkte sich eine Tasse Kaffee ein. »Sie muss eine hervorragende Erziehung genossen haben und doch führte sie dieses ärmliche Leben an der Seite meines Vaters.«
    »Also, ich finde das sehr romantisch«, warf Frederica ein. »Wahrscheinlich hat sich Großmutter in einen einfachen Stallburschen verliebt, der nicht standesgemäß war, und ist mit ihm durchgebrannt. Sie ist einfach ihrem Herzen gefolgt, so wie auch du, Mama. Ich muss Großmutter unbedingt fragen, welch aufregende Abenteuer sie erlebt hat.«
    Sie zwinkerte ihrer Mutter keck zu, und Maureen wusste, dass Frederica auf George Linnley und ihre Drohung anspielte, jederzeit mit ihm durchzubrennen, sollten sich die Eltern weiter gegen eine Heirat stellen.
    Philipp lachte und strich Frederica übers Haar.
    »Mein kleines Mädchen, überall vermutest du eine Romanze. Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass Laura aus Liebe zu einem Mann alles im Stich gelassen hat und ihm in die Armut gefolgt ist.«
    Maureen stimmte Philipp zu. In ihrer Erinnerung waren ihre Eltern zwar höflich und freundlich miteinander umgegangen, von großer Liebe oder gar Leidenschaft hatte sie jedoch niemals etwas bemerkt. Laura war immer unnahbar gewesen und hatte nie jemanden an sich herangelassen. Weder ihre Tochter noch ihren Ehemann.
    »Ich werde versuchen, mit ihr über Archibald McCorkindale zu sprechen«, sagte sie bestimmt.
    »Dabei wünsche ich dir viel Glück. So, wie ich Laura kenne, wird sie wie immer schweigen«, erwiderte Philipp zweifelnd.
    A uch dieses Mal sollte Philipp sich nicht geirrt haben. Maureen besuchte ihre Mutter am frühen Nachmittag desselben Tages. Nach einem gemeinsamen Gang zum Friedhof saßen sie in der kleinen, muffigen Kammer und tranken Tee. Als Maureen das Gespräch auf McCorkindale brachte, nahm Lauras Blick den für sie typischen abweisenden Ausdruck an. Sie sah an Maureen vorbei und sagte scharf: »Ich bat dich einzig und allein um den Gefallen, mich in Degnish beisetzen zu lassen. Wenn ich gewusst hätte, dass dein Mann ausschweifende Nachforschungen anstellt, hätte ich den Wunsch niemals geäußert.«
    Hektische rote Flecken bildeten sich auf ihren Wangen, die sich von ihrer sonst fahlen Haut abhoben. Für einen Moment bereute Maureen, das Thema angeschnitten zu haben, denn es regte Laura offenbar sehr auf, und Maureen befürchtete einen erneuten Hustenanfall. Trotzdem war sie nicht bereit, Lauras Starrsinn nachzugeben. Schließlich ging es hier auch um ihre Familie! Sie wollte endlich wissen, wo ihre Wurzeln lagen.
    »Findest du nicht, dass ich ein Recht darauf habe, zu erfahren, was für Menschen meine Großeltern waren, und warum du mir niemals von ihnen erzählt hast? Warum hast du Bothy Castle verlassen und ein Leben gelebt, dass deiner nicht würdig war?«
    »Das geht dich nichts an!«, rief Laura. Sie wirkte plötzlich sehr stark, als würde diese Sache alle ihre Kräfte mobilisieren. Im Dämmerlicht des trüben Nachmittags funkelten Lauras Augen wie zwei glühende Kohlen.

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