Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Schatten der Vergeltung

Im Schatten der Vergeltung

Titel: Im Schatten der Vergeltung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Michéle
Vom Netzwerk:
ein Wort darüber verlieren.«
    In diesem Moment wusste Maureen, dass es nichts gab, was ihre Mutter noch umstimmen könnte. Laura hatte ihre Entscheidung getroffen. Ihr blieb nichts anderes übrig, als diese zu akzeptieren.
    »Können wir noch etwas für Sie tun?«, erkundigte sich Philipp. »Selbstverständlich werden wir dafür sorgen, dass Sie alle Medizin erhalten werden, die Ihre Beschwerden lindern können.«
    »Das ist sehr großzügig, vielen Dank.« Laura rang sich Philipp gegenüber sogar ein Lächeln ab.
    Von tiefer Zuneigung überwältigt, kniete sich Maureen vor ihre Mutter und legte die Stirn in deren Schoß.
    »Aber wir können dich doch nicht allein lassen.«
    Sie spürte die harte, knochige Hand auf ihrem Haar, eine Geste, die sie von Laura niemals erwartet hatte.
    »Gott hält alles in seiner Hand. Es geschieht immer alles nach seinem Willen.« Sie strich Maureen über den Kopf. »Es gibt allerdings wirklich etwas, das ihr für mich tun könnt.«
    Maureen hob den Kopf. »Alles, was du willst!«
    »Es ist keine kleine Bitte, und ich weiß nicht, ob ich euch das zumuten kann.« Sie zögerte für einen Moment. »Ich möchte gern auf dem Friedhof von Degnish begraben werden.«
    »Degnish?« Philipp trat einen Schritt vor. »Wo liegt denn das?«
    »An der Westküste. In der Nähe von …« Ein erneuter Hustenanfall schüttelte Lauras schmächtigen Körper. Maureen und Philipp griffen ihr unter die Arme, trugen sie zum Bett, legten sie hin und deckten sie behutsam zu. Maureen warf Philipp einen flehenden Blick zu.
    »Was können wir nur tun?«
    Philipp war genauso ratlos wie sie. So standen sie schweigend am Bett, bis der Anfall vorüberging und Laura in einen unruhigen Schlummer fiel.
    »Degnish …«, wiederholte Maureen flüsternd, um ihre Mutter nicht zu wecken. »Ich habe den Namen noch nie zuvor gehört.«
    Philipp zuckte mit den Schultern. »Vielleicht stammt sie von dort?«
    »Meine Eltern haben mir nie darüber gesprochen, wo sie vor meiner Geburt gelebt haben. Ich bin immer davon ausgegangen, sie stammen aus der Gegend um Tomnavoulin, wo ich geboren wurde.«
    Es blieb Maureen und Philipp nichts anderes übrig als abzuwarten, bis es Laura wieder besser gehen und sie Einzelheiten erzählen konnte.
    G egen Abend brachte der Wirt einen Topf mit einer dicken und herzhaften Kartoffelsuppe. Mit den entsprechenden Münzen hatte Philipp dafür gesorgt, dass Laura einmal täglich eine warme, kräftige Mahlzeit erhielt. Missmutig stellte der Wirt den Topf auf den Tisch. Das Geld nahm er zwar gerne, musste er deswegen gleich die Frau bedienen? Seltsame Leute waren das, die seit Wochen hier ein- und ausgingen. Engländer … Was die wohl mit der armen Frau zu schaffen hatten? Einmal hatte er versucht, an der Tür zu lauschen, aber diese englische Lady schien durch Wände sehen zu können. Sie hatte ihn verjagt und ihm sogar gedroht, sollte er es noch einmal versuchen. Der Wirt würde froh sein, wenn sie wieder verschwunden waren.
    Laura war von ihrem letzten Anfall sichtlich geschwächt, löffelte die Suppe aber mit großem Appetit. Nachdem sie einen Teller geleert hatte, wiederholte sie ihre Bitte.
    »Ich habe euch mit meinem Anliegen verwirrt«, sagte sie. »Vielleicht wird man sentimental, wenn man den Tod so dicht vor Augen hat. Auf jeden Fall sehne ich mich danach, in Degnish meine letzte Ruhestätte zu finden, dort, wo meine Wurzeln sind. Das Dorf liegt an der Westküste, einige Meilen südlich von Oban, direkt am Loch Melfort.«
    »Du hast mir nie von diesem Ort erzählt«, sagte Maureen vorwurfsvoll.
    »Warum hätte ich das tun sollen? Ich hatte vor, zu meinen Lebzeiten niemals nach Degnish zurückzukehren.«
    »Ihr Mann ist hier in der Stadt begraben«, gab Philipp zu bedenken. »Möchten Sie nicht an seiner Seite ruhen?«
    Laura schüttelte den Kopf.
    »John würde meinen Wunsch verstehen. Einst haben wir gemeinsam den Loch Melfort verlassen, und er hat seine Heimat ebenso wenig wie ich jemals vergessen.«
    »Wenn Vater ebenfalls von dort stammt, dann liegen am Loch Melfort auch meine Wurzeln«, sagte Maureen. »Warum habt ihr mit mir niemals darüber gesprochen? Weshalb habt ihr mich in dem Glauben gelassen, ihr hättet immer in den Grampiens gelebt? Gibt es noch Verwandte an der Westküste?«
    »Ich kann dir sagen, warum ich nie darüber gesprochen habe: Weil ich, nachdem ich fortgegangen war, keinen Kontakt mehr zu meinen Eltern hatte und diesen auch nie wieder wollte.«
    »Das scheint bei euch

Weitere Kostenlose Bücher