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Im Schatten der Vergeltung

Im Schatten der Vergeltung

Titel: Im Schatten der Vergeltung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Michéle
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drehte sich zu ihr und musterte sie von oben bis unten.
    »Du bist keine Schottin«, stellte er sachlich fest, dabei blieben seine Augen kalt wie Stein.
    »Nein, ich bin Engländerin«, sagte sie schnell. »Mein Ehemann war viele Jahre Captain in der Armee. Wenn Ihr Begleiter vielleicht die Freundlichkeit hätte, seinen Griff etwas zu lockern. Ich verspreche, dass wir nicht fliehen werden.«
    Womöglich konnte es jetzt von Vorteil sein, sich als Engländerin auszugeben. Unwillkürlich dachte Maureen daran, wie der unverschämte Schotte sie beleidigt hatte, gerade weil sie mit einem Engländer verheiratet war.
    Der Offizier zeigte sich von ihren Worten unbeeindruckt, offensichtlich glaubte er Maureen kein Wort. Er wandte sich an seine Begleiter: »Bringt sie ins Old Tolbooth. Ein Richter soll entscheiden, was mit ihnen geschehen soll.«
    Maureen gelang es, einen Arm aus der Umklammerung zu lösen, und griff schnell in die Tasche des Rocks. Zu ihrer Erleichterung fand sie einen Penny. Sie drückte einem zerlumpten Jungen, der direkt neben ihr stand, das Geldstück in die Hand und flüsterte: »Lauf so schnell wie möglich zum Charlotte Square, Haus Nummer zwölf. Erzähl dem Mann dort, was geschehen ist, und sag ihm, er soll sofort zum Gefängnis kommen. Hast du verstanden?“
    Der Junge nickte, und seine Augen strahlten beim Anblick des funkelnden Pennys. Er steckte ihn in die Tasche seiner zerrissenen Hose und war gleich darauf in der Menge verschwunden. Maureen befürchtete, der Junge würde sich mit dem Geld einfach davonmachen, ihr war aber keine andere Wahl geblieben, als das Risiko einzugehen. Sie und Laura wurden nun grob an den Armen gerissen und die Royal Mile hinab in Richtung des Stadtgefängnisses geschleppt.

4. Kapitel
    I n sich zusammengesunken, die Arme um den ausgemergelten Körper geschlungen, kauerte Laura in dem Sessel neben dem warmen Kaminfeuer. Sie hielt den Blick gesenkt. Kein Muskel regte sich in ihrem Gesicht und sie ließ Philipps Wutausbruch stumm über sich ergehen.
    »Das war der Tropfen, der das Fass endgültig zum Überlaufen gebracht hat!«, schrie er so laut, dass es das Personal auch im Untergeschoss würde hören können. »Zum Glück reisen wir morgen ab, und ich muss dich, Laura, niemals wieder sehen.«
    Mit weit ausholenden Schritten lief er im Zimmer auf und ab. Er war kurz davor, die Beherrschung zu verlieren. Für einen Moment fürchtete Maureen, er könne Laura tätlich angreifen. So aufgebracht hatte sie Philipp nie zuvor erlebt.
    »Bitte, beruhige dich doch ...«
    »Beruhigen? Ich soll mich beruhigen? Dazu sehe ich keine Veranlassung! Ich musste meine eigene Ehefrau und ihre anscheinend schwachsinnige Mutter aus dem Gefängnis freikaufen, und zwar, weil sie einen tätlichen Angriff auf einen englischen Offizier verübt haben! Unser guter Name wurde in den Dreck gezogen! Ich kann nur hoffen, meine Beziehungen reichen aus, um ein Nachspiel zu verhindern. Maureen, du hast offenbar keine Vorstellung davon, was es für mich bedeutet, wenn auch nur ein Wort über den Vorfall in Cornwall oder in London bekannt wird!« Philipp unterbrach seine Wanderung durch den Raum und blieb vor Laura stehen. Er zeigte mit ausgestrecktem Zeigefinger auf sie. »Was diese verbohrte Frau mit ihrem armseligen Leben anstellt und ob sie auf dem Richtblock landet, ist mir völlig gleichgültig. Von mir aus kann sie sich in ihrem sinnlosen Hass zu Tode grämen, aber dass sie dich, Maureen, in ihren Rachefeldzug verstrickt, kann und werde ich nicht dulden! Sie hat mit voller Absicht unseren angesehenen englischen Namen besudelt.«
    »Es ... tut mir leid.« Lauras Stimme war nur ein heiseres Flüstern. »Es war nie meine Absicht, Maureen in eine solche Situation zu bringen.«
    Laura weinte. Die Tränen rollten über ihre eingefallenen Wangen. Erschüttert kniete Maureen vor ihr nieder und ergriff Lauras Hände. Sie hatte ihre Mutter noch nie weinen gesehen.
    »Es ist schon gut, Mutter. Ich weiß, dass du uns nicht in Schwierigkeiten bringen wolltest, deine Nerven sind einfach mit dir durchgegangen.«
    Philipp lachte laut und bitter.
    »Natürlich hat sie es gewollt! Was hast du dir bloß dabei gedacht, einen hochgestellten Offizier grundlos zu verletzen? Verdammt, warum in drei Teufels Namen hast du eine solche Torheit begangen? Ihr könntet jetzt ebenso gut tot sein.«
    Scharf sog Maureen die Luft ein. Es war nicht Philipps Art zu fluchen.
    »Philipp, es ist doch nichts weiter geschehen. Der Offizier hat

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