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Im Schatten der Vergeltung

Im Schatten der Vergeltung

Titel: Im Schatten der Vergeltung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Michéle
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übrig blieb.
    »Du scheinst doch Angst zu haben, sonst hättest du es nicht vernichtet«, murmelte sie tonlos.
    »Angst ist ein Wort, das mit zunehmendem Alter an Bedeutung verliert.«
    Maureen wandte sich zur Tür. Bevor sie den Raum verließ, warf sie noch einen Blick auf den Mann, der dem Blute nach ihr Großvater war.
    »Auch wenn du es nicht glauben wirst, aber ich wünsche dir ein noch langes und armseliges Leben. Der Tod ist viel zu schade für dich. Irgendwann wird er dich holen, und dann wirst du bis in alle Ewigkeiten in der Hölle schmoren.«
    Während Maureen den Raum verließ, rief der Alte kichernd ihr nach: »Du bist wahrlich meine Enkelin! Zoll für Zoll! Schade, dass wir uns nicht unter anderen Umständen begegnet sind.«
    Die Zerstörung des Dokumentes war Maureen gleichgültig, denn die kurze Zeit, in der sie das Schriftstück in den Händen gehalten hatte, hatte gereicht, den Namen, der neben McCorkindales Unterschrift gestanden war, auf ewig in ihr Gehirn einzumeißeln: Clifford Murdoch .

9. Kapitel
    Surrey, Mai 1781
    I n der kleinen Dorfkirche war es mucksmäuschenstill, lediglich die Stimme des Pfarrers hallte von den Steinwänden wieder: »Hiermit taufe ich dich auf den Namen Edmund Clifford George.«
    Als der Geistliche die Stirn des Babys mit dem kalten Wasser benetzte, blieb der Säugling ruhig und starrte den Pfarrer aus seinen großen blauen Augen an.
    Mein Sohn, dachte Clifford Murdoch stolz. Mein Erbe und Stammhalter!
    Nach der Kühle der Kirche schlug die frühsommerliche Hitze Murdoch wie eine Faust ins Gesicht, als er das Gotteshaus verließ. Unbehaglich steckte er zwei Finger in den Kragen, um sich etwas Luft zu verschaffen. Insgeheim verfluchte er die modisch-elegante, graugepuderte Perücke, unter der sich der Schweiß sammelte und ihm den Nacken hinunterlief. Die Taufgesellschaft begab sich nun eilig auf den kurzen Weg nach Murdoch Hall, wo für die durstigen Gäste kalte Erfrischungen von einer Schar livrierter Diener bereitgehalten wurden. Hastig griff Murdoch nach einem Glas Brandy und leerte es in einem Zug.
    »Na, alter Junge, was für ein prachtvoller Tag!«
    Paul Beadle, ein vermögender und einflussreicher Londoner Kaufmann, trat, ebenfalls ein Glas in der Hand, zu ihm. Murdoch grinste.
    »Hab es kaum noch zu hoffen gewagt, einen Sohn zu bekommen. Mit über sechzig bin ich schließlich nicht mehr der Jüngste. Umso mehr ist heute ein ganz besonderer Freudentag für mich, den wir gebührend feiern werden.«
    Beadle klopfe dem größeren Mann anerkennend auf die Schulter. »Gut gemacht, Murdoch! Der kleine Kerl scheint bester Gesundheit zu sein.«
    Murdoch winkte dem Diener und nahm das nächste Glas vom Tablett. Er prostete seinem Freund zu.
    »Es lohnt sich, ein junges Füllen im Bett zu haben. Nicht nur, dass Louisa mir noch viele stramme Söhne gebären wird, nein, auch sonst ist sie ... Na, du weißt schon, was ich meine ...« Er zwinkerte Beadle zu, und die beiden Männer lachten anzüglich.
    Clifford Murdoch hatte bereits vor der Tauffeier etliche Gläser mit alkoholischen Getränken zu sich genommen. Sein feistes Gesicht war nicht allein von der Wärme gerötet und sein Blick glasig. Wohlwollend betrachtete er die elegant gekleideten Gäste, die in kleinen Grüppchen zusammenstanden, dann sah er zu seiner Frau, die sich mit ihren Eltern unterhielt. Louisa Murdoch war klein, aber mit üppigen Rundungen an den richtigen Stellen. Heute jedoch waren ihre Wangen blass und ihre dunklen Augen erschienen übernatürlich groß in ihrem ovalen Gesicht. Murdoch sah, wie sie einen Moment lang schwankte. Sein Schwiegervater umfasste sie stützend an der Taille, und ihre Mutter sprach eindringlich auf sie ein. Langsam schlenderte er zu ihnen herüber.
    »Liebes, du darfst dich nicht länger der Hitze aussetzen. Es ist besser, du gehst hinein und ruhst dich aus.«
    So, wie er es sagte, klang es wie ein Befehl und nicht wie die Sorge eines Mannes, dessen Frau vor vier Wochen ihr zweites Kind geboren hatte.
    »Es geht schon, Clifford.«
    Louisas Stimme war leise wie die eines jungen Vogels. Murdoch starrte auf ihre üppigen Brüste, die seit der Schwangerschaft und der Geburt beinahe auf das Doppelte angewachsen waren. Er spürte ein ziehendes Gefühl in den Lenden. Schnell wischte er sich mit einem Taschentuch den Schweiß von der Stirn. Er war beinahe dreimal so alt wie sie, als er vor fünf Jahren Louisa Brandon ehelichte. Murdoch war kein Narr. Er hatte von Anfang an gewusst,

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