Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Schatten der Vergeltung

Im Schatten der Vergeltung

Titel: Im Schatten der Vergeltung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Michéle
Vom Netzwerk:
dafür. Nun ja, wahrscheinlich hast du allen Grund dazu. Ich habe mich selbst die letzten dreißig Jahre dafür verachtet. Meine Frau, deine Großmutter, hat mir niemals verziehen. Sie sorgte dafür, dass alle erfuhren, aus welchen Gründen Laura damals mit einem einfachen Stallburschen davonlief. Hatte meine Frau mich auch zuvor nicht geliebt, nun hasste sie mich und ließ mich das Tag für Tag spüren. Alle Diener verließen die Burg, die Pächter zogen fort und niemand wollte mehr hier arbeiten, und Reisende machten einen großen Bogen um Bothy Castle. Obwohl ich vom Vorwurf des Verrates freigesprochen war, konnte ich nichts dagegen unternehmen, denn die Macht, die ich als Clanchef einst hatte, war unter der englischen Herrschaft gebrochen. Die Engländer regierten das Land, und die hatten wahrlich anderes zu tun, als sich darum zu kümmern, dass ein schottischer Laird langsam, aber sicher vor die Hunde ging. Obwohl wir hier auf dem Festland sind, fühlte ich mich so isoliert, als säße ich mutterseelenallein da draußen auf einer der Inseln. In meiner Not, als ich das Land nicht mehr ohne Hilfe bestellen konnte, wandte ich mich an die Campbells. Die hatten aber nur Spott und Verachtung für mich übrig. Ein Archibald McCorkindale war zu unbedeutend, als dass ein Campbell sich für mich eingesetzt hätte. Glaube mir, ich habe bereut. Ich habe es täglich, nein, stündlich bereut, was ich getan habe.«
    »Du kannst nicht erwarten, dass ich Mitleid mit dir habe«, entgegnete Maureen scharf. Sie hatte ihn reden lassen, konnte ihren Zorn aber nicht länger zügeln. »Ich bin froh zu hören, wie schlecht es dir ergangen ist, denn alles, was du erlebt hast, ist nur ein Bruchteil von dem, das Laura erleiden musste.« Und ich ebenfalls, füge sie in Gedanken hinzu.
    McCorkindale ging auf ihre Worte nicht ein.
    »Laura hat dir von dem Vertrag erzählt, ja? Den hast du hier also gesucht.«
    Maureen nickte. Sie würde die Burg nicht eher verlassen, bevor sie nicht die Namen der Offiziere wusste.
    »Wie hießen die Männer?«, forderte sie McCorkindale auf und fixierte seinen Blick. »Nenn mir die Namen dieser verfluchten Engländer, und ich verschwinde aus deinem Leben. Ansonsten ...«
    McCorkindales Mundwinkel verzogen sich zu einem spöttischen Lächeln.
    »Du willst mir drohen? Womit denn? Willst du mich etwa töten?« Er richtete sich auf und bot Maureen seine schmächtige Brust dar. »Nur zu, den kleinen Dolch hast du ja schon eingesteckt. Nimm ihn und stich zu! Ich sehne den Tod herbei. Für einen alten, kranken Mann hat das Leben nichts mehr zu bieten, ich wäre über ein schnelles Ende dankbar.«
    Maureen erkannte, wie ernst es ihm war.
    »Das Dokument ...«, flüsterte sie.
    »... liegt unter dem losen Dielenbrett in der rechten Ecke«, ergänzte McCorkindale.
    Maureen sprang auf und fand auf Anhieb das lockere Brett. Sie zerrte es aus dem Boden, tastete mit der Hand in den darunterliegenden Hohlraum und fand eine in ein Wachstuch eingeschlagene Rolle. Sie entrollte das Schriftstück und starrte auf die Zeilen. Es war etwas ganz anderes, über diese Vereinbarung zu sprechen, als sie tatsächlich in den Händen zu halten und mit eigenen Augen die Worte zu lesen, die ein verabscheuungswürdiges Abkommen besiegelt hatten. Die mit schwarzer Tinte säuberlich geschriebenen Buchstaben verschwammen vor ihren Augen.
    »Was willst du jetzt damit machen?« Wie aus weiter Ferne klang McCorkindale Stimme an ihr Ohr, dabei war er so dicht hinter sie getreten, dass sie seinen säuerlichen Atem riechen konnte. »Wenn du meinst, mich nun erpressen zu können, so muss ich dich enttäuschen. Wie ich bereits sagte, gibt es keinen Menschen in der Umgebung, der nicht ohnehin Bescheid weiß. Gut, du kannst damit zu der Garnison in Fort Augustus gehen und sagen, weshalb ich damals die Freiheit behielt. Glaubst du wirklich, man wird dir nach so vielen Jahren Gehör schenken und, wenn ja, mich vor Gericht stellen? Die Armee hat schwerwiegendere Probleme, als immer noch jakobitische Anhänger zu jagen. Die Regierung wird keinen Penny ausgeben, einem alten, kranken Mann, der an der Schwelle zum Tod steht, den Prozess zu machen.«
    Bevor Maureen reagieren konnte, hielt McCorkindale seine Kerze unter das Dokument. Das durch die Jahre ausgetrocknete Papier fing sofort Feuer. Sie konnte es gerade noch fallen lassen, bevor die Flammen ihre Finger versengten. Entsetzt musste Maureen zusehen, wie von dem Vertrag nur ein klägliches Häufchen Asche

Weitere Kostenlose Bücher