Im Schatten des Elefanten
wenn Ihr Euch darum sorgt, denkt Ihr schon nicht mehr an das, was Ihr erfahren wolltet, und Ihr werdet Eure Geschichte nicht bereit haben, werdet nicht in Frieden dahingehen.«
Er hat ihn am Arm gerüttelt, als er das zu ihm sagte. Und der Großvater hat sich geschüttelt, hat ihn angeblinzelt, aber keiner kann dessen sicher sein, daß er ihm zuhört oder daß er ihm nicht zuhört. Er jedoch fährt nun fort, und er wendet sich dabei eigens an den Großvater. Ist er denn sicher, daß er ihm zuhört? Gewiß, er ist wie dazu geschaffen, all das zu sagen, was er sagt, – in dem Gedanken, er sage es für den Großvater und für den Großvater allein. Und wenn der Großvater ihm nicht zuhört? Wenn der Großvater – setzen wir den Fall – tatsächlich taub ist?
»Ein Glück«, sagt er zum Großvater, »daß jene alte Eigenart sich erhalten hat – von damals, als die Menschen noch Kinder waren. Glaubt man an Gott oder nicht, – erhalten geblieben ist die Freude am Weintrinken oder Wassertrinken, am Nachdenken, am Ausruhen, am Zusammensein als Mann und Frau … Und so hat jene alte Art des Erkennens sich erhalten, sie hat sich sogar entwickelt.«
»Das ist meine Genugtuung von heute, die meine Geschichte vervollständigt. Versteht Ihr mich? Euer Handlanger hätte ich sein, Euch den Eimer mit dem Mörtel tragen können, – und ich wäre der gewesen, der ich heute bin: einer, der von Euch lernt, ohne daß Ihr ein Wort sagt. Man kann sich auf Zublinzeln verstehen, nicht wahr?
Vielleicht ist es die größte Genugtuung meines Lebens … Euch diese meine Geschichte erzählen zu dürfen, – deren Erlernung ich gerade bei Euch beschließe, – und, mit Beihilfe Eurer Frau Tochter, beides zugleich verstanden zu haben: daß die alte Eigenart der Menschen, ein Tier anzubeten, einen Berg, einen Baum, ein Ding, – daß sie so war, wie ich gesagt habe; und daß sie noch fortbesteht und in der Tiefe des eigenen Innern noch immer unsre lebendigste Art ist, zu erkennen und fortzuschreiten.« Hat er aufgehört? Hier spricht er, wie es die Volksredner tun, wenn sie zum Schluß kommen wollen. Aber vielleicht hat er nur damit aufgehört, sich an den Großvater allein zu wenden.
Aus dem anderen Zimmer, dessen Tür auf die Straße führt, hört man den Mann meiner Mutter, der mit dem Kleinen zurückkehrt. Der Gast schaut dorthin, er reibt sich die Hände. Sein Frösteln scheint er nun angenehm zu empfinden – beim Gedanken an die Stärkung mit heißen Maronen und Wein, die ihm bevorsteht.
Die beiden kommen herein: der Kleine mit Packen, der Mann meiner Mutter mit zwei Strohflaschen in der Faust. Und ich könnte darauf schwören, daß der Mann meiner Mutter nicht einkaufen gegangen ist, um sich eine Kostprobe zu entnehmen. Er muß sich gehetzt haben.
»Er hat doch nicht inzwischen etwas gesagt?« fragt er meine Mutter.
Als er wieder Platz nimmt, sehe ich, daß er außer Atem ist. »Nichts oder soviel wie nichts«, antwortet ihm meine Mutter.
8
Aber der Gast ist nicht der Mann, der etwa den Kopf hängen läßt, weil er vernommen hat, daß man sein halbstündiges Reden für ein Nichts erachtet.
Er betrachtet vielmehr meine Mutter mit einem Lächeln der Zustimmung. »Nun will ich sehen, wie ihr die Sardellen eßt«, sagt er lachend. »Ich hoffe, daß ihr durch das Essen eingebildeter Speisen nicht verlernt habt, wie man etwas Simples ißt. Habt ihr noch etwas Brot? Ich habe hier die zwei Laibchen von meiner heutigen Ration.« Er holt sie aus seinen Innentaschen hervor und reicht sie hin. »Legt Sardellen dazwischen und eßt aus der Hand. Der Wein ist besser, wenn man ihn auf die Sardellen trinkt.«
Er ist fast etwas aufgeregt und erhebt sich, um die Gläser zu füllen, die Hände zittern ihm, und er gießt mehr Gläser voll, als wir an Kopfzahl sind. Nur langsam, – kann man zu ihm sagen. Er hat etwas an sich vom Gewinsel eines Hundes, der seinen guten Tag hat. Doch wir sind keine Zecher bei uns daheim, auch unser Großvater ist keiner gewesen, ein Glas langt uns für ein ganzes Weihnachtsessen, für einen ganzen Abend, – und er wird es sein und der Mann meiner Mutter, die, einander gegenübersitzend, den Rest der ersten Strohflasche trinken und die zweite ganz und gar.
»Darf ich einschenken?« sagen sie zueinander.
»Danke. Schenkt zu.«
»Darf ich bedienen?«
»Danke Euch sehr.«
Uns schenken sie nichts mehr ein, weil sie sehen, daß immer Wein in unseren Gläsern ist. Einmal versucht der Gast, meines Großvaters
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