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Im Schatten des Feuerbaums: Roman

Im Schatten des Feuerbaums: Roman

Titel: Im Schatten des Feuerbaums: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Federico
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versucht.«
    Tiagos Ohnmacht wuchs – und zugleich der Ärger auf seinen Vater und sein schlechtes Gewissen gegenüber Aurelia. So sollte ihr Besuch doch nicht ablaufen! Er wollte sie auf keinen Fall in diese steten Streitereien mit William hineinziehen! Aber zugleich konnte er nicht zulassen, dass jener seine Leidenschaft immer untergrub!
    »Ramón Subercaseaux gehört auch einer wohlhabenden Familie an – und ist einer der größten Maler Chiles, gar Leiter der Academia de Pintura.«
    »Meines Wissens malt er aber nicht nur«, entgegnete William streng, »sondern ist auch Diplomat.«
    »Ich dachte, du wolltest mich für Zahlen gewinnen … nicht für die Diplomatie.«
    William setzte mit rotem Gesicht zu einer Entgegnung an, aber in diesem Moment beugte sich Alicia abrupt vor und riss das Wort an sich. »Woher stammen Sie eigentlich, meine Liebe?«
    Erst jetzt, als er dem Blick seiner Mutter folgte, gewahrte er, wie verlegen Aurelia war. Sie hielt die Teetasse umklammert, hatte aber noch keinen Schluck daraus getrunken, und ihre Wangen waren tiefrot. Tiago bereute den Wortwechsel mit seinem Vater noch mehr, bereute plötzlich auch, sie hierhergebracht zu haben. Wie hatte er sie nur diesem großen, dunklen Haus ausliefern können, wie seinen Eltern?
    »Aus … aus Patagonien«, sagte sie leise.
    Tiago entging nicht, wie William verächtlich die Nase rümpfte, und erneut gewann Trotz die Oberhand.
    »Warum so abfällig, Vater? Du machst doch Geschäfte mit einigen großen Schafzuchtkompanien. Deren Arbeit müsste dir doch zusagen, so einträglich, wie sie ist, und so pflichtbewusst, wie sie ausgeführt wird! Da geht es nicht um Hirngespinste wie die Kunst.«
    Kaum hatte er die Worte gesagt, biss er sich auf die Lippen. Eigentlich hatte er nicht ausplaudern wollen, dass Aurelia das Kind von Schafzüchtern war.
    Er sah, wie William den Mund öffnete, und ahnte, dass seine Worte nicht nur ihn treffen würden, sondern vor allem Aurelia, aber bevor er sie aussprechen konnte, ertönte von der Straße her ohrenbetäubender Lärm. Ob des Getöses und Krachens und Knatterns erzitterte das Porzellan.
    Er wusste, Alicia hasste für gewöhnlich diesen Lärm, der nicht zum ersten Mal die Ruhe im Haus störte. Doch heute schien sie erleichtert.
    »Das ist Guillermo!«, rief sie, und Williams Mund klappte zu, ehe er seine Meinung zur Schafzucht preisgegeben hatte.

    Aurelia hatte bis jetzt versucht, sich so unauffällig wie möglich zu verhalten und Tiago keinen Anlass zu bieten, sich vor seiner Familie für sie zu schämen. Sie hatte höflich gelächelt, nichts gesagt und sich darauf konzentriert, möglichst vornehm ihre Teetasse zu halten. Nun aber brach unwillkürlich die Frage aus ihr heraus: »Warum macht er einen solchen Lärm?«
    Im nächsten Moment hätte sie sich am liebsten auf die Lippen geschlagen. Es war ihre erste Frage, die sie in William Browns Gegenwart gestellt hatte, und der sah sie verblüfft an, als wäre es ein Wunder, dass das lästige Insekt, das er wohl am liebsten zertreten hätte, sprechen konnte.
    Alicia dagegen seufzte – und machte damit erstmals einen Laut, der bewies, dass diese Frau hinter der starren Maske lebendig war.
    »Nicht er macht diesen Lärm«, erklärte Tiago rasch, »sondern sein Automobil.«
    Aurelia blickte ihn verwundert an, wagte aber nicht, erneut nachzufragen.
    »In Santiago gibt es kaum mehr als sechzig davon«, fuhr Tiago fort. »Es ist eine Mode von jungen Männern, mit diesem Gefährt ohne Pferde zu fahren.«
    Aurelia konnte sich vage erinnern, wie sie bei einem Spaziergang mit Tiago ein solches Automobil gesehen hatte. Es war von dichtem Rauch umhüllt gewesen, und hinterher lagen auf der Straße ein Dutzend loser Schraubenmuttern.
    »Diese polternden Ungeheuer!«, stieß William aus, und obwohl er sich nicht über Tiago oder sie, sondern dieses absonderliche Fahrzeug ärgerte, zuckte Aurelia zusammen. »Rücksichtslos sind sie, diese jungen Leute! Denken, dass die öffentlichen Straßen ein geeigneter Ort für ihre lächerlichen Wettrennen sind, und achten nicht auf die Fußgänger, die vor Angst vergehen, wenn sie diese Straßen zu überqueren versuchen.«
    William sah nicht gerade wie einer aus, der die Straße oft zu Fuß überquerte.
    Ehe er weiter über diese neumodische Art der Fortbewegung schimpfen konnte, erstarb das laute Geknatter von der Straße. Stattdessen waren erst Schritte zu vernehmen, dann Gelächter und schließlich eine spöttische

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