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Im Schatten des Feuerbaums: Roman

Im Schatten des Feuerbaums: Roman

Titel: Im Schatten des Feuerbaums: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Federico
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»Sie ist die Tochter von patagonischen Schafzüchtern.«
    War sie gleichgültig, durchtrieben oder bösartig, dies zu sagen?
    Guillermo lachte wieder, während Tiago ungestüm aufsprang. »Es reicht!«, schrie er.
    Guillermo biss sich auf die Lippen, um sein Lachen zu unterdrücken, und wandte sich nunmehr schulterzuckend an Aurelia. »Nicht böse sein, Mädchen, ich will dich gewiss nicht kränken. Du bist wirklich hübsch, wahrscheinlich auch liebenswert, sogar klug, wer weiß? Und mir persönlich ist es völlig egal, ob du arm oder reich bist oder wer deine Eltern sind. Ich halte meinen Bruder schlichtweg für maßlos.« Er setzte eine kunstvolle Pause. »Ich meine, was will er denn noch alles? Er hat sich der Universität verweigert und widmet sich ganz der Malerei. Er tut und lässt, was ihm gefällt. Und jetzt denkt er, er kann ein Mädchen mitnehmen, das für gewöhnlich das Haus nur durch den Hintereingang betreten dürfte und sich zu den Dienstboten gesellen würde?«
    Blitzschnell ging Tiago auf ihn los. Er hatte Guillermo am Kragen gepackt, noch ehe der den Bruder hatte kommen sehen, schüttelte ihn und drängte ihn durch den halben Raum, bis sie an eine Wand stießen. Die edlen Möbel erzitterten, die Vasen klirrten.
    »Halt dein verfluchtes Maul!«
    Aurelia war sich nicht sicher, was sie mehr entsetzte – der Hass in Tiagos Stimme oder Williams Wut, als der aufsprang und nun selbst brüllte: »Hört auf, alle beide!«
    Aurelia duckte sich unwillkürlich. Am liebsten wäre sie im Erdboden versunken. Alicia dagegen saß aufrecht und zuckte nicht einmal mit den Wimpern. Ihre Augen schienen wie tot.
    Tiago lockerte seinen Griff ein wenig, ließ aber nicht von seinem Bruder ab. »Ich dulde es nicht, dass er Aurelia beleidigt.«
    »Ich beleidige sie doch nicht! Ich spreche nur die Wahrheit aus! Du kennst unseren Vater. Von zehntausend Menschen sind ihm bestenfalls hundert wert, mit ihnen zu sprechen. Und die Tochter von Bauern gehört ganz sicher nicht dazu. Ich sehe nicht ein, warum du dir alles erlauben kannst. Amüsier dich mit ihr, meinetwegen, aber bring sie nicht in dieses Haus mit!«
    Nun lag keine Belustigung mehr in seiner Stimme, sondern der gleiche Hass und die gleiche Hilflosigkeit, die auch Tiagos Gesicht verzerrten.
    Aurelia erhob sich hastig und stieß fast das Teegeschirr um. »Es ist besser, ich gehe.« Sie wunderte sich selbst, dass sie noch die Kraft hatte, ihre Stimme zu erheben.
    Endlich ließ Tiago Guillermo los, stürzte nunmehr zu ihr und drückte sie zurück auf das Sofa. »Nein, du gehst nicht! Ich will, dass du bleibst.«
    Guillermo strich sich sein zerknittertes Jackett glatt. »Das ist immer noch das Haus unseres Vaters, er bestimmt, wer hier zu Gast ist, nicht du …«
    Er, der William eben noch selbst provoziert hatte, blickte nun, um Zustimmung heischend, auf ihn und erhoffte sich ein Machtwort. Offenbar rebellierte er nur gegen den Vater, solange es nicht gegen den Bruder ging.
    Eine Weile blieb es still, ehe William verkündete: »Es ist in der Tat besser, du begleitest Niña Hoffmann nun nach Hause, Tiago.«
    Guillermo feixte unverhohlen, Alicia blickte geradeaus, Tiago ballte seine Hände zu Fäusten.
    »Nein, das werde ich nicht«, erklärte er erstaunlich fest. »Niña Hoffmann ist kein Mädchen, mit dem ich mich einfach so vergnüge wie Guillermo mit seinen billigen …« Er brach ab, atmete tief durch und fügte dann hinzu: »Ich habe ehrenvolle Absichten … und das ist auch der Grund, warum ich sie euch heute vorgestellt habe. Ich werde Niña Hoffmann heiraten.«
    Aurelia blieb die Luft weg. Nie hatte er so etwas angedeutet, nie hatte sie selbst gewagt, so weit zu denken. Tiago war der Mann, an den sie ihr Herz verloren hatte, aber sie hatten noch keine Zeit gehabt, Zukunftspläne zu schmieden. Sie wusste – unter anderen Umständen wäre dies der glücklichste Augenblick in ihrem Leben. So aber konnte sie ihn nur entgeistert ansehen – wie auch die anderen. Guillermos Lächeln schwand von den Lippen, Alicia runzelte die Stirn, William lief zornrot an.
    Tiago wich ihren Blicken aus, aber wiederholte trotzig. »Ja, wir werden heiraten.«
    Er ergriff Aurelias Hand und drückte sie bekräftigend.
    Guillermo war der Erste, der seine Fassung wiederfand. Er trat zum Tisch, nahm sein Sherryglas und erhob es.
    »Na dann, herzlichen Glückwunsch!« Erneut begann er zu lachen, und diesmal klang es triumphierend. Aurelia verstand sein Verhalten nicht. War er nicht eben

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