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Im Schatten des Feuerbaums: Roman

Im Schatten des Feuerbaums: Roman

Titel: Im Schatten des Feuerbaums: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Federico
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paar Worte gewechselt hatte. William schien etwas versöhnter, während Guillermo nun umständlich begann, sich eine Zigarre anzuzünden. Es dauerte eine Weile, bis sie brannte, und als er den ersten Zug machte und den Rauch in Kringeln in die Luft blies, ließ er wieder seinen Blick kreisen. Wie vorhin starrte er Aurelia ungeniert an, und diesmal glaubte sie sowohl Spott als auch Mitleid in seinen Augen aufblitzen zu sehen. Offenbar entging ihm nicht, wie unwohl sie sich fühlte, und er bedauerte sie dafür – doch leider nicht ausreichend, um ihr das Folgende zu ersparen.
    »Das ist sie also«, begann er, legte eine Pause ein, um wieder an der Zigarre zu ziehen, und setzte dann süffisant hinzu: »Tiagos Herzensdame.«
    Er legte seinen Kopf kurz in den Nacken, und Aurelia konnte sehen, dass die Haut unter seinem Kinn großporig und schlaff war – ein Zeichen, dass er mehr und häufiger trank als nur ein Gläschen Sherry zum Nachmittagstee. Ob er all das – zu trinken, zu rauchen, Auto zu fahren oder dem Glücksspiel anzuhängen – wirklich gerne machte? Oder ob es seine Art war, gegen die Eltern zu protestieren?
    Niemand sagte ein Wort, und so fuhr Guillermo schließlich gönnerhaft fort: »Eins muss man dir lassen, Bruderherz, du hast tatsächlich einen Sinn für das Schöne. Ein hübsches Mädchen hast du da gefunden … wobei ich es trotzdem ungerecht finde, dass sie hier ist.«
    Aurelia fühlte, wie ein Ruck durch Tiago ging. »Halt deinen Mund!«, entfuhr es ihm feindselig. Wieder musste Aurelia mit aller Macht den Drang unterdrücken, ihre Hand beschwichtigend auf seine zu legen.
    »Aber es ist doch wahr!«, klagte Guillermo. »Warum darfst du sie zum Tee mitbringen – ich meine Freundinnen aber nicht?«
    »Wag es nicht, Aurelia mit einer deiner Hu…«
    »Still!«, unterbrach Alicia ihn scharf.
    Guillermo nickte nachdenklich, blickte erst seine Mutter, dann seinen Vater an. »Ich verstehe«, murmelte er, »wahrscheinlich hast du unsere Eltern vor vollendete Tatsachen gestellt. Du hast ihnen nicht erzählt, dass sie ein einfaches Mädchen vom Lande ist, sondern hast sie einfach hierhergebracht. Und auf eins kann man sich in diesem Haus ja verlassen: dass man die wahren Gefühle perfekt verbirgt.«
    Er erhob sich langsam, blieb einen Augenblick abwartend stehen und setzte sich dann neben Aurelia auf die Lehne des Sofas. Ganz nahe rückte er den warmen, aufgedunsenen Körper an ihren heran. Sie machte sich so schmal wie möglich und starrte verzweifelt auf die Hände in ihrem Schoß.
    »Weißt du …«, begann er, »… ich darf doch du sagen? Wir sind beide schließlich noch jung. Weißt du – so läuft es nun mal in unserer Familie. Man sagt nie, was man denkt. Man verhält sich anständig und formvollendet. Das heißt, ich tue das nicht immer. Früher hat mich mein Vater oft mit der Reitpeitsche bedroht, wenn ich wieder einmal vorlaut war. Aber jetzt bin ich zu alt dazu. Es wäre ihm doch etwas peinlich, mich wie einen Stallknecht zu verprügeln.«
    »Guillermo«, schaltete sich William mit zusammengepressten Lippen ein. »Es ist genug jetzt.«
    Doch Guillermo tat, als hätte er ihn nicht gehört. »Eigentlich kann mein Vater mit mir zufrieden sein«, fuhr er mit gönnerhaftem Unterton fort. »Ich meine, trotz aller Eskapaden habe ich seinen hohen Ansprüchen genügt. Ich habe studiert, ich arbeite brav in seinem Unternehmen, und ich gebe meinen Launen nur in der Freizeit nach. Tiago dagegen ist durch und durch ein Rebell.«
    Er lachte auf, ehe er sich wieder erhob, auf die andere Seite des Sofas trat, wo sein Bruder saß, und sich dort auf die Lehne setzte. »Heute hast du dich allerdings selbst übertroffen«, sagte er. Er sprach es nur leise, und dennoch war es für alle hörbar. Er tätschelte Tiagos Schulter, als gelte es, einen Hund zu loben, legte dann seinen Kopf zurück und lachte. Es klang ehrlich belustigt, aber zugleich verzweifelt und riss plötzlich ab, als er sich vorneigte und auf Aurelia zeigte.
    »Um Himmels willen, wer ist sie bloß?«, rief er. »So wie sie gekleidet ist, ist sie nicht einmal Tochter eines Haciendero – eher die eines Pächters!«
    Aurelia wusste vor Verlegenheit nicht, wo sie hinsehen sollte. Sie hatte sich doch so Mühe gemacht mit ihrer Kleidung und ihrer Frisur! Trotzdem sah er ihr auf den ersten Blick an, dass sie aus ärmlichen Verhältnissen kam! Noch nie in ihrem Leben hatte sie sich so geschämt.
    Alicia schaltete sich seltsam ausdruckslos ein:

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