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Im Schatten des Feuerbaums: Roman

Im Schatten des Feuerbaums: Roman

Titel: Im Schatten des Feuerbaums: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Federico
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Pedro de Valdivia im Kampf gegen die Mapuche, war sehr dunkel, sehr pathetisch, durchaus nett anzusehen, aber gewiss nicht meisterhaft. Tiago war mit keinem seiner Bilder zufrieden, denn auch wenn er ganz ordentlich kopieren konnte, fehlte es ihm an einem unverwechselbaren Stil. Er fragte sich, ob auch Aurelia diese Erkenntnis durch den Kopf ging, denn ihre Stirn war leicht gerunzelt. Vielleicht störte sie sich aber auch einfach nur an dem gewalttätigen Motiv.
    In jedem Fall gab es ihm Mut, sich an seine Mutter zu wenden, die kaum merklich Aurelias Blick gefolgt war: »Erinnerst du dich, es war eines meiner ersten Bilder. Ich habe es für dich gemalt.«
    Ein schmales Lächeln erschien auf Alicias Lippen: Er konnte sich nicht sicher sein, was sie davon hielt, dass er so oft gegen seinen Vater rebellierte, aber dass er malte, hatte sie stets mit Interesse verfolgt. William dagegen hielt es für eine vorübergehende Laune. Um ihn gesprächsbereit zu stimmen, musste er sich etwas anderes einfallen lassen.
    »Wie war es im Club?«, fragte er darum.
    William war Mitglied im exklusiven Club de la Union und dort regelmäßiger Gast. Sowenig Tiago in Wahrheit an einer Antwort interessiert war, so gleichgültig wurde ihm diese gegeben. William starrte auf die Teetasse, während er berichtete, wen er dort gesehen hätte und wen nicht. Allesamt waren es Namen, die Tiago nichts sagten.
    Immerhin – dass er redete, machte es nicht gar so augenfällig, dass er Aurelia bis jetzt hartnäckig ignoriert hatte. Jene saß eingeschüchtert neben ihm auf dem Sofa, lächelte ihn zwar an, als er ihr eine Tasse Tee einschenkte, aber wagte seine Eltern kaum anzusehen.
    Er konnte es ihr nicht verdenken. Obwohl sein Vater den für offizielle Anlässe üblichen Cut abgelegt hatte und stattdessen eine Hausjacke aus edlem Kaschmirstoff mit seidenem Steppkragen trug, wirkte er streng und respekteinflößend – mit den geraden Koteletten, die etwas grau wurden, dem üppigen Schnurrbart mit pomadisierten Enden und der kubanischen Zigarre, die er sich eben ansteckte.
    Kaum hatte er zweimal den Rauch ausgeblasen, wurde sein Tonfall etwas herber. Er sah weder Tiago noch Aurelia an, als er von der Neuigkeit berichtete, die heute im Club ausführlich diskutiert worden war. »Endlich hat sich die Agencia General de Colonización dazu durchgerungen, die Einwanderung zu minimieren. Es wurde aber auch Zeit! Wie viele dieser kriminellen und geldgierigen Italiener und Juden sollen noch in dieses Land kommen? Und all die Japaner und Neger – sie mehren nur die Korruption, und ihr schlechter Charakter und ihre mangelnde Intelligenz würden nur allzu bald auf die braven Chilenen abfärben.«
    Alicia lauschte mit ausdruckslosem Blick, Aurelia hatte ob des herben Tonfalls ihren Kopf noch tiefer gesenkt. In Tiago hingegen erwachte Wut. William liebte es, gegen Emigranten zu wettern, als hätte er vergessen, dass er selbst ein Ausländer war.
    Obwohl er gerade heute keinen Streit wollte, kam er nicht umhin, einzuwerfen: »Chile war immer ein gastfreundliches Land …«
    »Gastfreundschaft muss man sich leisten können«, fuhr William ihn an. »Sieh doch auf den Zustand der Gesellschaft! Der Großteil der Bevölkerung ist faul, unmoralisch und geistig zurückgeblieben. Von unsereins können sie lernen, von den Briten und von den Deutschen – von Pack und Abschaum nicht.«
    »Warum sollten Deutsche und Briten den Chilenen überlegen sein?«, fragte Tiago. »Und die Chilenen wiederum den Japanern und Afrikanern? Der Arzt und Philosoph Nicolás Palacio würde das anders sehen. Erst kürzlich hat er ein Buch geschrieben, in dem er forderte, dass wir auf die eigene Nation stolz sein sollten.«
    William schnaubte. »Bringt man dir solche Gedankengänge auf der Escuela bei?«
    »Nein, dort lerne ich malen.«
    »Was offenbar den Geist verdirbt.«
    Alicia hob den Kopf und murmelte lautlos einen Namen – Tiago war nicht sicher, ob seinen oder Williams.
    Tiago konnte sich dennoch nicht zurückhalten. »Kunst ist nichts Unmoralisches, das den Geist oder Charakter verderben könnte.«
    »Aber auch nicht die richtige Beschäftigung für jemanden wie dich«, entgegnete William harsch.
    Tiago beugte sich vor. »Warum nicht? Weil ich zufällig reich geboren wurde?«
    »Reichtum geht einher mit zahlreichen Verpflichtungen.«
    »Und die Pflicht, sein Talent zu fördern, hat man etwa nicht?«
    »Vielleicht hast du auch ein Talent für Zahlen – du hast dich nur nie daran

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