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Im Schatten des Feuerbaums: Roman

Im Schatten des Feuerbaums: Roman

Titel: Im Schatten des Feuerbaums: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Federico
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Stillen Juan.
    Schließlich brachte sie ein knappes »Wie?« hervor.
    Das Grinsen verstärkte sich. »Juan meinte, auf dich könne man sich verlassen. Schließlich bist du eine Deutsche, nicht wahr? Und denen sagt man nach, dass sie stets zu Ende bringen, was sie anfangen. Nun, in der Población habe ich davon nicht viel gesehen, aber …«
    Ihre Kehle war nach wie vor zugeschnürt, aber dass er ihr Versagen ansprach, gab ihr den Mut, scharf zu fragen: »Bist du gekommen, um mir Vorwürfe zu machen oder weil du meine Hilfe brauchst?«
    Er legte seinen Kopf in den Nacken und wieherte vor Lachen. »Nicht böse sein, ich mag dich doch! Auch die steifen Frauen haben was an sich, selbst wenn man es nicht auf den ersten Blick erkennt.«
    Sie war sich nicht sicher, ob sie diese Worte als Kompliment oder als Beleidigung deuten sollte.
    »Wie auch immer«, fuhr er fort und wurde wieder ernst, »Rebeca und ich haben an diesem Tag doch eure Druckerpresse für die Vervielfältigung der Flugzettel benutzt. Und Juan kam nun auf die Idee, dass ich diese Druckerpresse auch noch anders nützen könnte. Es geht um die Kopien einer anarchistischen Schrift …«
    Victoria nickte hastig. »Natürlich kannst du die Druckerpresse jederzeit benutzen«, erklärte sie rasch.
    Sie fragte sich, ob sich wohl auch Rebeca an diesem Gespräch der beiden Brüder beteiligt hatte, und als sie an die Freundin dachte, vermisste sie sie schmerzlich. Allerdings war nun Jiacinto bei ihr – wie es aussah, sogar für mehrere Stunden.
    Wenig später führte sie ihn stolz ins Hinterzimmer der Buchhandlung, insgeheim erleichtert, dass Valentina und Pepe entsprechend ihrem sonntäglichen Ritual erst den Gottesdienst besuchten, hinterher für die Seele von Francisco Veliz beteten, danach in einem Restaurant zu Mittag aßen und bei gutem Wetter einen Spaziergang anschlossen. So wie es aussah, würden sie noch Stunden unterwegs sein.
    »Hier!«, sagte Jiacinto und zog ein Blatt Papier aus seiner Jacke, das ziemlich zerknittert aussah. »Das müsste vervielfältigt werden.«
    Victoria warf einen Blick darauf. Sie war so aufgeregt über Jiacintos Nähe, dass der Text vor ihren Augen verschwamm, aber dann erkannte sie, dass es sich um einen Auszug aus dem Kampfblatt La Protesta handelte, das von spanischen Anarchisten veröffentlicht und auch in Chile verbreitet wurde.
    Nach dem Blatt zog Jiacinto eine Zigarette aus seiner Jacke.
    »Hier in der Buchhandlung darfst du nicht rauchen«, sagte sie schnell.
    Er grinste nur. »Wenn ich etwas nicht darf, ist es für mich umso interessanter.« Ungerührt zündete er die Zigarette an, nahm einen tiefen Zug und blies ihr den Rauch ins Gesicht – so wie es Rebeca schon oft getan hatte.
    Victoria kämpfte gegen den Drang zu husten an, und sie straffte die Schultern. Gewiss, die Gefahr eines Brandes war gering, und die Spuren von Asche könnte sie beseitigen, aber sie ahnte, dass sein Respekt vor ihr nicht gerade wachsen würde, wenn sie vorschnell nachgab.
    »Hör auf!«, befahl sie streng.
    Er starrte sie an – nicht länger mit dem überheblichen Grinsen, sondern ehrlich erstaunt. Da er aber die Zigarette nicht ausmachte, trat sie zu ihm und griff danach. Noch nie hatte sie so dicht bei ihm gestanden. Sie glaubte ihn mit jeder Faser ihres Körpers zu spüren und erschauderte. Zu ihrer Überraschung übergab er ihr die Zigarette freiwillig.
    »Und nun?«, fragte er.
    Sie wusste es selber nicht genau, wünschte sich nur, sie wäre ein wenig so wie Rebeca, nicht nur dreist wie diese, sondern auch so geschmeidig. Ihr eigener Körper schien wie aus Stein geformt. Erst als Jiacinto auflachte, löste sie sich aus der Starre.
    Sie nahm die Zigarette, führte sie an den eigenen Mund und nahm einen tiefen Zug. Ein- oder zweimal hatte sie bisher schon mit Rebeca geraucht – es hatte ihr nie geschmeckt, und auch jetzt begannen ihre Augen zu tränen, und der Hustenreiz verstärkte sich. Doch sie unterdrückte ihn weiterhin, blickte Jiacinto stolz an und ließ die Zigarette nach einem weiteren Zug in eine Porzellanvase fallen. Ein dünner Rauchfaden stieg auf, als sie erlosch.
    Jiacinto zog nur die Augenbraue hoch, sagte jedoch nichts. Auch die nächste Stunde, während sie an der Druckerpresse das Kampfblatt vervielfältigten, verlief schweigend. Erst als Victoria den Text noch einmal genauer studierte und ihr Blick bei dem Namen Luis Recabarren hängenblieb, fragte sie neugierig: »Seit wann zitiert ein anarchistisches Kampfblatt

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