Im Schatten des Fürsten
sich geht.«
»Wir müssen uns irgendwo ungestört unterhalten«, meinte Tavi.
Max nickte, runzelte angestrengt die Stirn und vollführte eine vage Geste mit der Hand. Plötzlich spürte Tavi einen Druck auf den Ohren, der allerdings sofort wieder ein wenig nachließ. »Erledigt«, sagte Max.
»Danke«, sagte Tavi. Kurz darauf näherte sich an der Seite des Majordomus eine große Frau mit ernstem, abweisendem Gesicht, einfachem, aber elegantem Schmuck und einem prachtvollen Kleid aus tiefgrünem Stoff. Sie zögerte, betrachtete die beiden jungen Männer und bedachte sie mit einem Blick, den Tavi als ebenso körperlich spürbar wahrnahm wie einen sanften Händedruck. Sie blickte ihn fragend an, und die Falten auf ihrer Stirn vertieften sich noch, als sie Max bemerkte. Mit einem Wort und einem knappen Wink entließ sie den Majordomus und trat zu ihnen.
Nachdem sie in die Sphäre getreten war, in der Max mit Windelementaren verhinderte, dass sie belauscht wurden, zog sie eine Augenbraue hoch. Schließlich sagte sie: »Es geht überhaupt nicht um ein Schreiben vom Ersten Fürsten, oder?«
Tavi öffnete seine Tasche und reichte ihr ein gefaltetes Stück Papier. Es war leer, doch Tavi wollte den Anschein wahren, falls sie beobachtet wurden. »Nein, Hoheit. Leider nicht.«
Sie nahm das Papier, faltete es auf und betrachtete es, als würde sie es lesen. »Oh, wie schön es zu Winterend in der Hauptstadt ist. Guten Abend, Maximus.«
»Guten Abend, Fürstin. Dein Kleid ist ein Traum.«
Ein Mundwinkel der Fürstin deutete ein Lächeln an. »Wie schön, dass du meinen Rat beherzigst, den Damen stets ein Kompliment zu machen.«
»Es ist eine äußerst erfolgreiche Strategie, Fürstin, wie ich festgestellt habe«, erwiderte Max.
Fürstin Placida zog eine Augenbraue hoch. »Ich habe ein Ungeheuer erschaffen.«
»Es gibt Momente, da fangen die Damen an zu schreien«, sagte
Max überheblich, »aber davon abgesehen würde ich mich nicht als Ungeheuer bezeichnen.«
Ihr Blick wurde hart. »Und das erscheint mir tatsächlich wie ein Wunder. Ich weiß, dein Vater ist auf der Mauer, aber zumindest deine Stiefmutter hätte ich hier erwartet.«
»Sie durfte nicht«, sagte Max. »Jedenfalls habe ich das gehört.«
»Sie schreiben ja nie«, sagte Fürstin Placida. »Ich nehme an, sie wären auch trotzdem nicht gekommen.« Sie faltete den Brief zusammen und schenkte Max ein schwaches Lächeln. »Schön, dich zu sehen, Maximus. Könntest du mir bitte verraten, warum du mich öffentlich in Verbindung mit dem Ersten Fürsten bringst, und das vor dem halben Fürstenrat und dem halben Senat?«
»Hoheit«, sagte Tavi, »ich bin hergekommen, um mit meiner Tante Isana zu sprechen. Ich glaube, sie steckt in Schwierigkeiten, und ich muss ihr helfen.«
»Ach, du bist der Neffe?«, murmelte Fürstin Placida und zog nachdenklich die Stirn in Falten.
»Tavi aus dem Calderon-Tal, Hoheit«, stellte Max seinen Freund vor.
»Bitte, Fürstin«, sagte Tavi. »Kannst du uns weiterhelfen?«
»Ich würde es als Gefallen auffassen, Fürstin«, fügte Max hinzu und legte Tavi eine Hand auf die Schulter.
Fürstin Placida zog angesichts dieser Geste die Augenbrauen hoch. Dann betrachtete sie Tavi abermals, genauer diesmal. »Sie war mit dieser Kurtisane aus Amarant hier, Serai. Die beiden haben mit einigen Leuten gesprochen.«
»Mit wem?«, fragte Tavi.
»Mit mir, mit Fürstin Aquitania, mit einigen Adligen und Würdenträgern. Und mit Fürst Kalare.«
»Kalare?«, fragte Tavi stirnrunzelnd.
Die schrille Stimme eines Mannes gellte durch den Garten, darauf folgte höflicher Jubel und Applaus.
»Nun«, sagte Fürstin Placida, »mir scheint, Brencis hat sein Duell um die Civitas gewonnen. Welche Überraschung.«
»Brencis würde nicht einmal ein Duell gegen ein paar Schafe gewinnen«, schnaubte Max. »Ich verabscheue solche Schauzweikämpfe.«
»Fürstin, bitte«, sagte Tavi. »Weißt du, warum sie so früh aufgebrochen ist?«
Fürstin Placida schüttelte den Kopf. »Nicht genau. Aber kurz vor ihrem Aufbruch hat sie sich mit Fürst Kalare unterhalten. Nun ja, das Gespräch wirkte auf mich nicht besonders freundlich.«
Tavi blickte in einen Seitengang, als er plötzlich spürte, wie er beobachtet wurde. Zwei junge Männer standen keine fünf Schritte von ihm entfernt, und Tavi kannte sie beide. Sie trugen ihre festlichste Kleidung, aber auch das verhalf ihrem Auftritt kaum zu mehr Glanz: der blonde Varien mit seinen Triefaugen und der stämmige
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