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Im Schatten des Fürsten

Im Schatten des Fürsten

Titel: Im Schatten des Fürsten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jim Butcher
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hart, kalt und befehlend. »Aus dem Weg. Beide.«
    Variens Grinsen wurde unsicher, und er blinzelte mehrmals, während er Tavi aus den blauen Triefaugen anstarrte. Nach einer zögerlichen Pause setzte er schließlich zu einer Erwiderung an.
    »Ein Wort noch«, fuhr Tavi ihn eiskalt an, »und ich breche dir den Kiefer. Geh mir aus dem Weg.«
    Varien zeigte zunächst Angst, dann jedoch flackerte Wut in seinem Gesicht auf. »So kannst du nicht mit mir reden!«
    Tavi rammte Varien den Stiefel in den Bauch. Der größere Junge knickte ein und hielt sich mit den Händen den Unterleib. Sofort packte Tavi ihn am Haar, warf sich auf ihn und stieß ihn auf die Pflastersteine, wo er auf ihm landete, vor allem auf Variens Kinn. Es ertönte ein hässliches Knacken, und Varien begann aus Leibeskräften zu schreien.
    Tavi sprang wieder auf und spürte, wie ihn Genugtuung und wilde Freude durchbrandete. Renzo stampfte vorwärts und schlug noch einmal nach Tavi. Der jedoch duckte sich unter dem Arm hindurch und bewegte die Faust hart nach oben. Bis zum letzten Quäntchen legte er seine Kraft in diesen Schlag, der genau die Spitze von Renzos Kinn traf. Der Kopf des größeren Jungen zuckte nach hinten und wieder nach vorn, aber Renzo ging nicht zu Boden. Er schwankte, blinzelte verwirrt und holte mit der Pranke aus, weil er erneut zuschlagen wollte.
    Tavi biss die Zähne zusammen, machte einen Schritt zur Seite und trat dem anderen gegen das Knie. Es knackte, und Renzo schrie wie am Spieß, ging zu Boden, fluchte und umklammerte mit beiden Händen das verwundete Bein.
    Tavi richtete sich auf und betrachtete die beiden Quälgeister, die nun auf dem Boden lagen, sich krümmten und vor Schmerz schrien. Inzwischen lenkten sie die Aufmerksamkeit der Nachbarn
und der Vorbeigehenden auf sich. Irgendjemand rief bereits nach den Civis-Legionares, und Tavi konnte sich denken, dass die in Kürze eintreffen würden.
    Variens Geschrei ebbte zu einem gequälten Schluchzen ab. Renzo ging es nicht viel besser, aber ihm gelang es, die Zähne zusammenzubeißen, so dass seine Schmerzenslaute klangen wie das Winseln eines verwundeten Tieres.
    Tavi schaute sich die beiden an.
    In der Zweiten Schlacht von Calderon hatte er Schlimmeres gesehen. Er war Zeuge geworden, wie Doroga auf seinem riesigen Bullen durch ein Meer aus blutüberströmten und verbrannten Maratleichen ritt, während die Verwundeten ihre Schreie zum mitleidlosen Himmel schickten. Er hatte die Krähen von Alera gesehen, wie sie sich in Scharen niederließen und sich über die Augen und Zungen der Toten und Sterbenden hermachten, gleichgültig, ob es Marat oder Aleraner waren. Tavi hatte die in Blut getauchten Mauern von Kaserna gesehen. Er hatte Männer und Frauen gesehen, die im Sterben lagen, weil sie zermalmt, erstochen oder erwürgt worden waren, während sie um ihr Leben kämpften, und er war auf dem Weg durch dieses Gemetzel immer wieder in Blutlachen getreten.
    Eine Zeit lang hatte ihm all dies finstere Albträume bereitet. Schließlich waren sie seltener geworden, aber vergessen hatte er die schrecklichen Einzelheiten nicht. Zu oft stieg die Erinnerung wieder in ihm auf.
    Ja, er hatte entsetzliche Dinge erlebt. Er hatte sich ihnen gestellt. Er hasste diese Erinnerungen, und noch immer erschreckten sie ihn, trotzdem nahm er die Existenz solcher Zerstörung schlicht zur Kenntnis, ohne sein Leben davon beherrschen zu lassen.
    Nur diesmal war es anders.
    In der Schlacht hatte Tavi niemanden selbst verletzt - doch den Schmerz, den Renzo und Varien jetzt litten, hatte er ihnen zugefügt, aus eigenem Willen.

    Sein Verhalten war unwürdig, und es gab keinen Grund, stolz darauf zu sein. Die plötzliche Freude, die ihn nach dem brutalen Kampf durchflutet hatte, ebbte ab und verflüchtigte sich. Er hatte sich in gewisser Weise tatsächlich auf diesen Augenblick gefreut, auf diesen Moment, in dem er seine Fähigkeiten gegen diejenigen zum Einsatz bringen konnte, die in ihm immer ein Gefühl von Ohnmacht und Erniedrigung ausgelöst hatten. Daher hatte er Befriedigung erwartet. Doch er spürte nur eine Leere, die sich langsam mit Übelkeit füllte. Nie zuvor hatte er jemanden so schwer verletzt. Er fühlte sich wie befleckt, als habe er etwas Wertvolles verloren, von dem er gar nicht gewusst hatte, dass er es besaß.
    Er hatte diesen beiden Jungen Schmerzen zugefügt, und zwar nicht unerhebliche. Nur auf diese Weise hatte er sich gegen sie durchsetzen können. Hätte er sie nicht überwältigt,

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