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Im Schatten des Fürsten

Im Schatten des Fürsten

Titel: Im Schatten des Fürsten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jim Butcher
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könne sie ihn durch ihre Schweigsamkeit stützen.
    »Ich habe meine Mutter verloren«, sagte sie nach einer Weile. »Diesen Schmerz wünsche ich dir nicht, Aleraner. Ich weiß, Isana war dir stets wie eine Mutter.«
    »Ja. Das stimmt.«
    »Du hast meinem Vater einmal das Leben gerettet. Dafür stehe ich immer noch in deiner Schuld. Ich helfe dir, so gut ich kann.«
    Tavi lehnte sich ein wenig bei ihr an, war jedoch nicht in der
Lage, seine Dankbarkeit in Worten auszudrücken. Einen Moment später spürte er warme Finger auf seinem Gesicht und schlug die Augen auf: Kitai blickte ihn an, kaum einen Handbreit entfernt. Er erstarrte und wagte nicht, sich zu rühren.
    Das Maratmädchen strich über seine Wange, über sein Kinn, und schob verirrte Haare hinter seine Ohren. »Ich habe beschlossen, dass es mir nicht gefällt, wenn du so leiden musst«, sagte sie leise, ohne den Blick von seinen Augen abzuwenden. »Du bist müde, Aleraner. Du hast genug Feinde, und du brauchst dir nicht noch selbst Wunden zuzufügen wegen Ereignissen, die auch du nicht hättest verhindern können. Du solltest dich ausruhen, solange du Gelegenheit dazu hast.«
    »Ich bin zu müde zum Schlafen«, sagte Tavi.
    Kitai starrte ihn einen Moment lang an, dann seufzte sie. »Verrückt. Ihr alle seid so verrückt.«
    Tavi versuchte zu lächeln. »Sogar ich?«
    »Vor allem du, Aleraner.« Sie erwiderte das Lächeln, und ihre Augen strahlten.
    Ein wenig fiel die Anspannung von Tavi ab, er lehnte sich weiter bei ihr an und genoss ihre Wärme. »Kitai«, fragte er. »Warum bist du hier?«
    Sie schwieg einen Moment, ehe sie antwortete: »Ich wollte dich warnen.«
    »Mich warnen?«
    Sie nickte. »Das Wesen aus dem Stillen Tal. Das wir während des Blutgerichts geweckt haben. Erinnerst du dich?«
    Tavi schauderte. »Ja.«
    »Es hat überlebt«, berichtete sie. »Das Kroatsch ist gestorben. Die Hüter sind gestorben. Aber das Wesen hat das Tal verlassen. Es hatte deinen Rucksack gefunden. Und damit deine Witterung aufgenommen.«
    Erneut überlief es Tavi kalt.
    »Es ist hergekommen«, fuhr Kitai ruhig fort. »In einem Sturm, zwei Tage, bevor ich hier eintraf, habe ich seine Spur verloren.
Aber es ist die ganze Zeit genau auf dich zugewandert. Ich suche schon seit Monaten nach ihm, doch bislang ist es nicht wieder aufgetaucht.«
    Tavi überlegte einen Augenblick lang. »Nun ja, so etwas dürfte in der Hauptstadt kaum unbemerkt bleiben«, sagte er. »Ein riesiges, grässliches Krabbeltier würde ziemlich stark auffallen.«
    »Vielleicht ist es ja gestorben«, sagte Kitai. »Wie die Hüter.«
    Er kratzte sich am Kinn. »Aber die Schwarze Katze ist schon seit Monaten unterwegs«, sagte er. »Du bist also bereits seit einiger Zeit hier. Wenn du mich nur warnen wolltest, hättest du das tun und wieder verschwinden können. Es gibt also wohl noch einen weiteren Grund, weshalb du in der Hauptstadt geblieben bist.«
    Ihre tiefgrünen Augen funkelten. »Ich habe es dir gesagt. Ich beobachte.« Sie betonte das letzte Wort. »Um dich und deine Art kennen zu lernen.«
    »Warum?«, fragte Tavi.
    »So macht man das eben bei unserem Volk«, erklärte Kitai. »Nachdem offensichtlich wurde, dass …« Sie brachte den Satz nicht zu Ende und wandte den Blick ab.
    Tavi runzelte die Stirn. Irgendwie hatte er das Gefühl, sie würde es nicht gut aufnehmen, wenn er weiter in sie drang, und er wollte nichts sagen, was sie dazu veranlasste, von ihm abzurücken. In diesem Augenblick wollte er einfach nur dasitzen und mit ihr reden.
    »Was hast du denn über uns erfahren?«, fragte er stattdessen.
    Sie sah ihm wieder in die Augen, und Tavi zitterte. »Vieles«, erwiderte sie ruhig. »Dies ist ein Ort des Lernens, an dem die meisten allerdings nichts Bedeutendes lernen. Ich habe auch beobachtet, dass du trotz deines Mutes und deiner Klugheit von den meisten anderen hier verachtet wirst, weil du keine Zauberei hast.«
    »Eigentlich ist es keine Zauberei«, setzte Tavi an.
    Kitai verzog keine Miene, legte Tavi die Fingerspitzen sanft auf die Lippen und fuhr fort, als habe er sie gar nicht unterbrochen.
»Ich habe gesehen, wie du andere beschützt hast, obwohl die dich für schwächer hielten. Und ich habe ein paar anständige Menschen gesehen, wie diesen Jungen aus dem Turm.« Sie zögerte kurz und dachte nach. »Ich habe Frauen gesehen, die Lust gegen Münzen verkaufen, um ihre Kinder zu ernähren, und andere, die Lust verschenken, um sich von ihren Kindern abzulenken, während sie sich

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