Im Schatten des Fürsten
einmal? Sie haben
uns am Wickel. Wenn sie die Höhle stürmen, werden sie uns auslöschen. Die müssen doch wissen, wie angeschlagen wir sind.«
»Bernard«, sagte sie. »Verstehst du nicht? Sie haben immer zuerst unsere Ritter angegriffen - die Wasserwirker und dann die Feuerwirker. Sie haben begriffen, welche Bedrohung sie darstellen, und die haben sie beseitigt.«
»Ja«, meinte Bernard. »Und?«
»Und wir haben das Vord-Nest gerade mit Feuer ausgelöscht«, sagte Amara. »Obwohl sie glaubten, sie hätten unsere Feuerwirker getötet. Wir haben etwas getan, das sie nicht erwartet haben, und das hat sie so erschüttert.«
Bernard blickte hinaus zum Feind und senkte die Stimme, bis sie kaum mehr als ein Flüstern war. »Aber wir haben keine Feuerwirker.«
»Das wissen sie aber nicht«, erwiderte Amara ebenso leise. »Vermutlich denken sie, dass wir herauskommen und den Angriff wiederholen. Sie warten, weil sie das für das Klügste halten.«
»Und worauf warten sie?«, wollte Bernard wissen.
Amara schüttelte den Kopf. »Besseres Licht? Darauf, dass wir müder und schwächer werden? Darauf, dass unsere Verwundeten sterben? Ich kenne sie nicht gut genug, um ihre Beweggründe einschätzen zu können.«
Bernard runzelte die Stirn. »Wenn sie glauben, wir hätten hier Feuerwirker, müsste es in ihren Augen reiner Selbstmord sein, die Höhle zu stürmen. Wir würden sie hier braten, ehe sie nahe genug zum Kämpfen herangekommen sind. Deshalb warten sie, bis wir herauskommen, um sie dort niederzubrennen, wo sie den Vorteil der Überzahl ausnutzen können.« Er lachte leise. »Sie denken, sie sitzen in der Patsche, nicht wir.«
»Dann müssen wir nur abwarten«, meinte Amara. »Die Verstärkung sollte doch bald eintreffen.«
Bernard schüttelte den Kopf. »Wir müssen davon ausgehen, dass sie ihren Irrtum irgendwann erkennen, wenn wir nicht herauskommen. Und dann werden sie angreifen.«
Amara schluckte. »Wie lange werden sie sich noch zurückhalten?«
»Unmöglich zu sagen«, meinte Bernard. »Aber bislang sind sie mit großer Umsicht vorgegangen.«
»Dämmerung«, sagte Doroga träge und selbstsicher.
Amara sah Bernard an, und der nickte. »Seine Einschätzung ist genauso gut wie jede andere. Aber wahrscheinlich kennt er sie am besten.«
Amara starrte in die Finsternis. »Die Dämmerung«, sagte sie. »Hätte der Erste Fürst uns seine Ritter Aeris geschickt, wären die längst hier.«
Bernard erwiderte nichts darauf.
»Wie lange also noch, was denkst du?«, fragte Amara.
»Acht Stunden«, antwortete Bernard ruhig.
»In der Zeit können sich die Verwundeten ohne Wirker nicht erholen.«
»Aber wenigstens können wir uns ein wenig ausruhen«, sagte Bernard. »Unsere Ritter brauchen eine Pause. Und du auch, Gräfin.«
Amara starrte hinaus in die Dunkelheit, und in diesem Augenblick trat die Vord-Königin ins Licht der Elementarlampen.
Sie ging auf zwei Beinen, doch es wirkte unecht, als führe sie ein Kunststück auf. Ein alter, abgetragener Mantel hüllte die Königin bis auf wenige Partien ein. Die Füße waren lang, die Zehen weit gespreizt, und sie griffen beim Gehen tief in den Boden. Das Gesicht war eigentümlich geformt, soweit sich das unter der Kapuze des Mantels erkennen ließ - es wirkte beinahe menschlich, war jedoch grün und unbeweglich; es schien den Ausdruck nicht verändern zu können. Die Augen, farbige Kreise ohne sichtbare Lider oder Pupillen, strahlten ein sanftes grün-weißes Licht aus.
Die rechte Hand hielt die Königin über dem Kopf erhoben. Der Arm war lang und hatte seltsame Gelenke, doch die Hand, in der sich ein breiter Streifen weißen Tuchs befand, sah beinahe menschlich aus.
Amara starrte sie mit offenem Mund an.
Die Vord-Königin sprach langsam und mit keuchender, jammernder Stimme. Die Laute waren schwer zu verstehen und schmerzhaft anzuhören. »Aleraner!«
Amara lief es kalt über den Rücken, so fremdartig klangen die Laute.
»Aleranischer Anführer. Tritt heraus. Weißes Sprechen, Waffenruhe.«
»Bei den Krähen.« Bernard atmete schwer. »Hör dir das nur an. Da gefriert einem ja das Blut in den Adern.«
Doroga betrachtete die Königin mit leerem Blick, und Wanderer grollte unbehaglich. »Vertraut den Worten der Königin nicht«, sagte er. »Sie sind Irrtümer, und das weiß sie auch.«
Amara sah Doroga stirnrunzelnd an. »Irrtümer?«
»Sie lügt«, stellte Bernard klar. Er blinzelte Doroga an. »Bist du sicher?«
»Sie töten«, sagte der Marat.
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