Im Schatten des Fürsten
der markante Tiergeruch aus der Schwarzen Halle in die Nase.
Das Herz klopfte ihm bis zum Hals. Einer der Canim wartete
in der Dunkelheit vor seiner Tür. Sein erster Impuls bestand darin zu fliehen, eine einfache Angstreaktion, doch er beherrschte sich. Erstens war Kitai sich der drohenden Gefahr vielleicht nicht bewusst, und zweitens würde eine Fluchtbewegung den Cane möglicherweise zu einem Angriff veranlassen. Und selbst wenn er sein Messer dabeigehabt hätte, hätte das kaum einen Unterschied ausgemacht. Ein Kampf wäre reiner Selbstmord. Ihm blieb nur eine Möglichkeit, um sich vor dem lauernden Cane zu schützen - blinde Verwegenheit.
»Du da!«, rief Tavi in den Schatten. »Was hast du hier zu suchen? Warum bist du aus der Schwarzen Halle hergekommen?«
Aus der Dunkelheit hörte er ein tiefes, abgehacktes Knurren, das vermutlich das Lachen eines Cane war. Dann folgte ein Fauchen und ein erschreckend lautes Splittern von Holz - eine Tür wurde aufgebrochen. Durch die Öffnung fiel ein wenig Kerzenlicht in den Gang, und Tavi erkannte einen riesigen, fellbewachsenen Schemen, der durch die Tür in Tavis Zimmer stürmte.
In dem Raum dahinter schrie jemand, und Tavi rauschte augenblicklich die Aufregung des Kampfes in den Ohren. Er rannte los. Eine Klinge wurde sirrend gezogen, etwas stürzte zu Boden, dann brüllte jemand wie ein wildes Tier voller Überraschung und Schmerz und Wut. Kitais höhnisches Lachen hallte über den Lärm hinweg, bis ein lautes Knurren es übertönte; dann hatte Tavi die Tür erreicht.
Botschafter Varg schien beinahe den gesamten Raum auszufüllen. Auf den ersten Blick hätte man seine geduckte Haltung dem Schmerz zuschreiben können. Doch gleichzeitig stürmte der Cane schnell und geschmeidig auf Kitai zu.
Das Maratmädchen hockte auf Max’ Wäschetruhe und funkelte den Angreifer grinsend an. Ihr eigenes Messer hielt sie in der einen Hand, die Klinge war blutrot gefärbt, und in der anderen hielt sie Tavis. Als Varg nach ihr griff, stach sie mit beiden Waffen auf die ausgestreckten Krallen ein, und aus einem der Schnitte spritzte Blut bis zur Decke.
Vargs Grollen ließ den Raum erbeben, und mit einer Leichtigkeit, als würde die Wäschetruhe nichts wiegen, schob er mit seiner gewaltigen Kraft das Möbelstück unter dem Mädchen weg. Kitai stieß einen Schrei aus, fiel und landete wie eine Katze auf allen vieren. So flink sie auch war, es genügte nicht, um Vargs Krallen zu entgehen, und der Cane riss sie vom Boden hoch und schüttelte sie wie ein Terrier eine Ratte. Dabei fielen ihr die Messer aus den Händen, und Varg wirbelte zur Tür herum.
Tavi trat ohne zu zögern ein. Als sich Varg zu ihm umdrehte, hatte er sich bereits den schweren Wasserkrug aus Ton geschnappt, der auf dem Tisch neben der Tür stand, und schleuderte ihn mit beiden Händen und aus einer raschen Drehung des Oberkörpers heraus auf den Cane. Der Krug zerschellte an Vargs Schnauze und brachte den Cane dazu, sich auf die Hinterbeine zu stellen. Der Eindringling riss die blutroten Augen auf vor Überraschung, Schmerz und Wut, fletschte die dunklen Lippen und entblößte gelbweiße Reißzähne.
»Lass sie los«, verlangte Tavi und ließ den Teller folgen, auf dem der Krug für gewöhnlich stand. Varg wehrte das Stück mühelos ab und machte einen Satz auf Tavi zu.
Der Cane traf ihn, und Tavi spürte schockartig die ganze Kraft des Botschafters. Varg stieß ihn um, als wöge er kaum mehr als ein paar Federn, und er landete zehn Fuß weiter hinten auf dem Boden.
»Aleraner!«, keuchte Kitai.
Varg knurrte und beugte sich über Tavi. Seine Zähne glänzten weiß in der Dunkelheit. »Folge mir, oder sie stirbt.«
Der Cane drehte sich um und eilte den Gang entlang, dann über den offenen Hof dahinter zu einem Dienstboteneingang, durch den man, wie Tavi wusste, zu einem Gitterrost gelangte, unter dem wiederum ein Einstieg in die Tiefen lag.
Tavi blickte Varg einen Moment lang hinterher und stieß einen Fluch aus. Er rappelte sich auf und sammelte die beiden Messer
ein. Nun holte er sich noch die brennende Kerze, stellte sie in seine kleine Blechlaterne und rannte Botschafter Varg nach.
Es war Wahnsinn, das wusste Tavi. Gegen Varg konnte er niemals gewinnen. Eine Auseinandersetzung mit dem Cane würde er wahrscheinlich nicht einmal überleben. Dennoch durfte er nicht zulassen, dass die Canim Kitai in die Hände bekamen. Er durfte das Maratmädchen nicht seinem Schicksal überlassen, wo sie sich doch seinem
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