Im Schatten des Fürsten
ihre Waffe auf. Zwei weitere Spinnen kamen die Treppe herunter und gesellten
sich zu dem halben Dutzend, das noch übrig geblieben war. Die beiden sprangen durch die Luft auf Kitai zu.
»Pass auf!«, rief Tavi.
Wieder reagierte Kitai blitzschnell, schon beim ersten Wort, und duckte sich zur Seite - dabei aber rutschte sie aus und fiel auf ein Knie.
Die beiden Spinnen landeten auf ihr und bissen wütend zu. Kitai brüllte vor Schmerz und vor Angst und zerrte an den Angreifern, doch sie hatte nicht mehr Erfolg als vorhin bei Killian. Sie wollte wieder aufstehen, rutschte jedoch erneut aus.
Eine dritte Spinne sprang auf sie.
Und eine vierte.
Sie würden sie umbringen!
Plötzlich erfüllte Tavi eine nie gekannte Wut. Die Welt vor seinen Augen färbte sich rot, und der Zorn breitete sich bis in die letzten Spitzen seiner Glieder aus. Tavi sprang vor, und auf einmal war das Schwert des Ersten Fürsten nicht mehr zu schwer für ihn. Mit dem ersten Hieb spaltete er eine der Spinnen in zwei Stücke und löste eine weitere von Kitai.
Eine der verbliebenen Spinnen spießte er auf, dann musste er sie mit dem Fuß von der Schwertspitze ziehen. Die andere tötete er auf gleiche Weise, packte das Mädchen am Handgelenk und zog es in die Meditationskammer.
Die übrigen Spinnen folgten ihnen hinein, wobei sie wieder ihr unheimliches Pfeifen ausstießen. Tavi drehte sich an der Tür um, schnappte sich eine Elementarlampe von der Wand und warf sie in eine Pfütze aus Branntwein auf dem Boden.
Flammen schossen in die Höhe und hüllten die Spinnen ein. Die stießen wieder ihr schrilles Pfeifen aus und rannten orientierungslos umher. Eine geriet, vermutlich rein zufällig, vor die Tür. Tavi verstümmelte sie mit einem Hieb und tötete sie dann mit einem raschen Stich. Anschließend schleuderte er die sterbende Spinne von der Klinge in Richtung der halb offenen Tür zum Vorraum. Sie krachte dagegen und verspritzte ihren grünen
Lebenssaft. Durch die Wucht des Aufpralls wurde die Tür zugeschoben.
Tavi rannte hin, legte den Riegel vor und lief zurück zu Kitai.
Die Marat lag zitternd da. Sie blutete aus einem Dutzend kleiner Wunden. Die meisten waren angeschwollen, und wie bei Killian quoll Gift hervor. Andere Schnitte stammten wohl von den Glassscherben auf dem Boden.
»Kitai«, sagte Tavi. »Hörst du mich?«
Sie blinzelte, schlug die grünen Augen auf und nickte kaum merklich. »Gift«, sagte sie.
Tavi kamen die Tränen, und einen Moment lang konnte er nicht mehr klar sehen. »Ja. Ich weiß nicht, was ich jetzt tun soll.«
»Kämpfe«, erwiderte sie. Es war nicht mehr als ein Flüstern. »Überlebe.« Sie machte den Eindruck, als wollte sie noch etwas hinzufügen, doch sie verdrehte die Augen und erschlaffte. Nur gelegentlich zuckte sie heftig.
Ein Stück entfernt lag Killian. Es gelang ihm, sich halb aufzurichten und auf den Ellenbogen zu stützen. »Tavi?«
»Wir sind in der Meditationskammer, Maestro«, sagte Tavi und biss sich auf die Lippe. »Du hast Gift abbekommen. Und Kitai auch.« Er blickte sich verzweifelt um, auf der Suche nach etwas, das ihnen helfen könnte. »Ich weiß nicht, was ich tun soll.«
»Wie geht es dem Ersten Fürsten?«, wollte Killian wissen.
Tavi schaute zur Pritsche. »Gut. Er atmet. Die Spinnen sind nicht in seine Nähe gelangt.«
Killian erschauderte. »Ich bin so durstig. Vielleicht das Gift. Haben wir Wasser?«
»Nein, Maestro.« Tavi verzog das Gesicht. »Du solltest dich hinlegen. Ganz ruhig. Versuch einfach, dich zu schonen. Die Wache ist bestimmt bald hier.«
Der alte Mann schüttelte den Kopf. An seinem Hals konnte man den schnellen Puls sehen, und die Venen an Stirn und Schläfen schwollen stark an. »Zu spät, Junge. Ich bin zu alt.«
»Sag so etwas nicht«, entgegnete Tavi. »Du schaffst es.«
»Nein«, gab Killian zurück. »Komm zu mir. Es schmerzt so, wenn ich spreche.« Er winkte Tavi zu sich.
Tavi beugte sich vor.
»Du musst eins wissen«, sagte er. »Ich habe mich mit Kalare eingelassen. Habe mit seinen Leuten gemeinsame Sache gemacht.«
Tavi starrte Killian an. »Was sagst du?«
»Es war eine List. Ich wollte sie in meiner Nähe haben, damit ich sie beobachten kann. Sie in die Irre führen.« Er erschauderte abermals, und Tränen rannen aus seinen blinden Augen. »Ich musste einen hohen Preis bezahlen. Einen schrecklich hohen Preis. Damit sie mir vertrauten.« Er seufzte. »Es war falsch. Es war falsch von mir, es zu tun, Tavi.«
»Ich verstehe nicht«,
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