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Im Schatten des Fürsten

Im Schatten des Fürsten

Titel: Im Schatten des Fürsten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jim Butcher
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Tavi ihn kaum verstehen konnte: »Oder darüber, warum.«
    »Du bist ihm nicht gleichgültig«, erklärte Tavi leise. »Er hatte Angst, dass … dass du schlecht von ihm denken würdest, wenn er plötzlich auftauchte.«
    »Damit lag er nicht so falsch«, sagte Miles. »Wenn es zu einem anderen Zeitpunkt passiert wäre …« Er schüttelte den Kopf. »Ich weiß nicht, wie ich dann reagiert hätte.« Sein Blick schweifte ins Leere. »Ich habe ihn lange, lange Zeit gehasst, Junge. Weil er an der Seite von Septimus gestorben ist, draußen am Ende der Welt, als mein Bein zu schwer verwundet war und ich nicht an seiner Seite sein konnte. Nicht bei ihnen. Ich konnte ihm nicht verzeihen, dass er fiel und mich allein zurückließ. Denn ich hätte bei ihm sein sollen.«
    »Und jetzt?«, fragte Tavi.
    »Jetzt …« Miles seufzte. »Ich weiß nicht, Junge. Inzwischen habe ich meinen eigenen Platz gefunden. Ich habe meine Pflicht. Es scheint mir keinen Sinn zu ergeben, ihn noch zu hassen.« In seinen Augen glitzerte es. »Ach, bei den großen Elementaren. Hast du ihn gesehen ? Den größten Schwertkämpfer, den ich je kennen gelernt habe, ausgenommen vielleicht Septimus. Und dabei habe ich immer vermutet, dass Rari sich zurückgehalten hat, um den Princeps nicht in Verlegenheit zu bringen.«
Plötzlich wirkte Miles abwesend. Dann blinzelte er und lächelte Tavi an.
    »Pflicht?«, meinte Tavi.
    »Genau. Wie ich schon sagte: Die Pflicht. Zum Beispiel deine gegenüber dem Ersten Fürsten. Na los, los, Akad…« Er unterbrach sich, legte den Kopf schief und sah Tavi an. »Los, Mann.«
    Tavi lächelte schwach. Dann stand er auf und zog sich die Schuhe an. »Ritter Miles«, fragte er, »gibt es Neuigkeiten über meine Tante?«
    Miles ging los. Sein Humpeln fiel stärker auf als früher. »Man hat mir gesagt, ihr gehe es gut und sie sei in Sicherheit. Im Palast ist sie aber nicht. Mehr weiß ich nicht.«
    Tavi runzelte die Stirn. »Wie? Warum nicht?«
    Miles zuckte mit den Schultern.
    »Und Max? Kitai?«
    »Ich bin sicher, Gaius wird dir deine Fragen beantworten, Tavi.« Miles lächelte. »Tut mir leid. Befehle.«
    Tavi nickte, und die Falten auf seiner Stirn gruben sich noch tiefer. Er schritt neben Miles zu den persönlichen Gemächern des Ersten Fürsten, und unterwegs sah er dreimal so viele Wachen wie gewöhnlich. Sie erreichten die Tür von Gaius’ Empfangszimmer. Eine Wache ließ sie ein und verschwand hinter einem Vorhang auf der anderen Seite des Raums, wo der Mann leise mit jemandem redete.
    Die Wache trat wieder hervor und verließ das Zimmer. Tavi blickte sich um. Die Möbel waren eher spartanisch für einen Mann wie den Ersten Fürsten, dachte er. Die Einrichtung war aus dem feinen dunklen Holz aus den Wäldern von Forcia an der Westküste gefertigt. An den Wänden hingen Gemälde - von denen eins erst halb beendet war. Tavi betrachtete die Bilder. Es handelte sich um schlichte idyllische Szenen. Eine Familie nahm eine Mahlzeit auf einem Feld zu sich. Die Personen saßen an einem sonnigen Tag auf einer Decke. Auf einem Schiff
wurden die Segel gehisst, als es das offene Meer erreichte. Im Dunst dahinter lag eine verschwommen zu erkennende Stadt. Und das letzte, das unvollendete, zeigte einen jungen Mann. Sein Gesicht war fertig, doch nur ungefähr ein Drittel des Oberkörpers. Die Farben bildeten einen starken Kontrast zur leeren Leinwand.
    Tavi betrachtete es genauer. Der junge Mann auf dem Bild kam ihm bekannt vor. Gaius vielleicht? Wenn man sich die Zeichen der Zeit wegdachte, konnte es sich bei dem jungen Mann tatsächlich um den Ersten Fürsten handeln.
    »Septimus«, murmelte Gaius mit seiner tiefen Stimme hinter Tavi. Der Junge drehte sich um und sah, wie der Erste Fürst durch den Vorhang trat. Er trug ein lockeres weißes Hemd und eine enge schwarze Hose. Seine Gesichtsfarbe wirkte wieder wie immer, seine blaugrauen Augen strahlten klar.
    Aber das Haar war sehr weiß geworden.
    Tavi verneigte sich sofort. »Verzeihung, mein Fürst?«
    »Die Person auf dem Bild«, sagte Gaius, »ist mein Sohn.«
    »Ich verstehe«, erwiderte Tavi vorsichtig. Er hatte keine Ahnung, was in einer solchen Situation die passenden Worte waren. »Es ist … es ist unvollendet.«
    Gaius schüttelte den Kopf. »Nein. Siehst du die Markierung am Hals? Den schwarzen Punkt auf der Haut?«
    »Ja. Ich dachte, es solle vielleicht einen Leberfleck darstellen.«
    »Nein, es ist die Stelle, an der seine Mutter gearbeitet hat, als wir die Nachricht von

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