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Im Schatten des Fürsten

Im Schatten des Fürsten

Titel: Im Schatten des Fürsten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jim Butcher
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und erkannte sofort die Handschrift. »Ist von meiner Tante Isana.«
    Draußen begannen die Abendglocken zu läuten und verkündeten den Anbruch der Dämmerung.
    »Bei den Krähen«, fluchte Max. Er erhob sich und ging zur Tür. »Komm schon. Ich muss in einer Viertelstunde da sein.«
    Tavi faltete den Umschlag zusammen und steckte ihn in seine Tasche am Gürtel. »Schon gut, schon gut.« Sie gingen hinaus und eilten über das Gelände der Akademie in Richtung eines der verborgenen Eingänge zu den Tiefen. »Was willst du wissen?«
    »Nun«, meinte Max nach ein paar Schritten. »Also, hm. Alles.«
    Tavi warf dem größeren Jungen einen entsetzten Blick zu. »Max, das ist Pflichtstoff. Grundlagen des Elementarwirkens. Das hast du doch gelernt.«
    »Na ja, schon.«
    »Wir haben doch nebeneinander gesessen.«

    Max nickte und runzelte die Stirn.
    »Und du warst meistens im Unterricht dabei«, stellte Tavi fest.
    »Bestimmt«, meinte Max. »Wir hatten das Fach nachmittags. Ich habe ja nichts gegen Bildung, solange sie nicht in Widerspruch zu meinen Schlafgewohnheiten steht.«
    »Du hast überhaupt nicht zugehört?«, wollte Tavi wissen.
    »Hm«, machte Max. »Schon vergessen: Rivus Mara saß in der Reihe vor uns. Du erinnerst dich bestimmt an sie. Die mit den roten Haaren und den großen …« Er hüstelte. »Augen. Wir haben uns im Unterricht manchmal damit beschäftigt herauszufinden, wer stärker im Erdwirken ist.«
    Was einerseits erklärte, warum Max nicht häufiger gefehlt hatte, andererseits allerdings auch, warum er nach dem Unterricht immer so schnell verschwunden war, dachte Tavi sauer. »Wie oft war manchmal?«
    »Na ja, so gut wie immer«, erklärte Max. »Außer an dem Tag, an dem ich den Kater hatte.«
    » Wie bitte? Und wie hast du die Abschlussarbeit bestanden?«
    »Na ja, kannst du dich an Igenia erinnern? Die Blonde aus Placida? Sie war gut genug, um …«
    »Ach, sei ruhig«, knurrte Tavi. »Dieser Kurs hat drei Monate gedauert. Wie, bei den Krähen, soll ich dir das alles in der nächsten Viertelstunde beibringen?«
    »Mit frohem Mut und ohne Vorwürfe«, meinte Max grinsend. »Wie ein treuer Angehöriger des Reiches und ergebener Diener der Krone.«
    Tavi seufzte, während sie sich vergewisserten, dass sie nicht beobachtet wurden. Dann schlichen sie in einen unverschlossenen Schuppen, in dem sie durch eine verborgene Falltür eine Treppe hinunter in die Tiefen stiegen. Max entzündete eine Elementarlampe, reichte sie Tavi und nahm eine für sich selbst.
    »Bist du bereit zum Zuhören?«, fragte Tavi.
    »Natürlich, natürlich.«
    »Das anthropomorphische Theorem«, sagte Tavi. »Also gut, du
weißt, dass Elementare die Wesen sind, die den Elementen innewohnen.«
    »Ja, Tavi«, erwiderte Max trocken. »Dank meiner außerordentlichen Bildung bin ich mir dessen bewusst.«
    Tavi ignorierte die Bemerkung. »Seit Anbeginn der aleranischen Geschichte gibt es unter den Elementarwirkern einen Disput über die Natur dieser Wesen. Genau diese Natur versuchen unterschiedliche Theorien zu beschreiben. Dabei weichen die Vorstellungen weit voneinander ab, inwiefern den Elementaren ihr Wesen vorgegeben ist und inwiefern wir sie beeinflussen können, zu dem zu werden, was sie am Ende sind.«
    »Hä?«, machte Max.
    Tavi zuckte mit den Schultern. »Wir beherrschen Elementare mithilfe unserer Gedanken.« Er benutzte, wie ihm auffiel, die erste Person Plural, die ihn mit einschloss. Wir. Obwohl er möglicherweise der einzige Aleraner war, der stattdessen hätte sagen können: ihr . »An diesem Punkt setzt die Bestimmende Anthropomorphische Theorie an. Vielleicht beeinflussen unsere Gedanken ja die Art, wie unsere Elementare uns erscheinen. Vielleicht hat ein Windelementar an sich überhaupt kein festes Äußeres. Aber wenn ein Wirker sich seiner bedient und dabei glaubt, der Elementar solle, sagen wir, wie ein Pferd aussehen, wie ein Adler oder sonst wie, manifestiert sich der Elementar in sichtbarer Form und nimmt die gewünschte Gestalt an.«
    »Oh, ja, genau«, meinte Max. »Wir könnten ihnen ihre Gestalt geben, ohne es zu bemerken, nicht?«
    »Richtig«, lobte Tavi. »Und das ist die vorherrschende Meinung in den Städten und in der Civitas. Andere Gelehrte hingegen bevorzugen die Natürliche Anthropomorphische Theorie. Sie behaupten, Elementare hätten, da sie sich mit einem bestimmten Teil ihres Elementes verbunden haben - einem Berg, einem Bach, einem Wald oder was auch immer -, jeder sein einzigartiges Wesen

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