Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Schatten des Fürsten

Im Schatten des Fürsten

Titel: Im Schatten des Fürsten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jim Butcher
Vom Netzwerk:
Stein gepflasterte Wege führten. Überall sprossen mittlerweile auf dem grünen Rasen die Blüten und schmückten das Gelände mit ihrem Rot und Blau. Auf den Bänken saßen Akademe, redeten, lasen oder verspeisten ihr Frühstück. Alle trugen die gleiche Kleidung, eine graue Robe über grauer Tunika. Vögel flatterten durch den Sonnenschein und hockten auf den Dächern der Gebäude, ehe sie sich von dort in die Tiefe stürzten und sich auf die Jagd nach Insekten machten oder die Krümel aufpickten, die Akademe fallen gelassen hatten.
    Hier schien einträchtiger Friede zu herrschen, wie man ihn sonst in der mächtigen Hauptstadt kaum zu finden vermochte.
    Tavi war es zuwider.
    Kalarus Brencis Minoris und seine Kumpane hatten sich an ihrem gewohnten Platz niedergelassen, an einem Brunnen nahe dem Eingang zum Speisesaal. Allein der Anblick des Jungen genügte, um Tavi den Tag zu verderben. Brencis war groß und stattlich gewachsen, hatte ein schmales Gesicht und benahm sich wie ein Fürst. Er trug sein Haar in langen Locken, was ein wenig verrucht wirkte und zurzeit im Süden als letzter Schrei galt, besonders in seiner Heimatstadt Kalare. Seine Akademrobe war aus feinstem Stoff und nach Maß geschneidert, dazu mit Goldfäden verziert. An seiner Kordel glänzten Halbedelsteine, kein billiges Glas, und sie lag mit mehreren Vertretern aller sechs Farben schwer auf seiner Brust. Jede Farbe verkörperte einen Bereich der Elementarbeschwörung: Rot, Blau, Grün, Braun, Weiß und Silber.
    Während Tavi und Ehren sich dem Brunnen näherten, schienen
die Akademe aus Parcia in eine Unterhaltung vertieft zu sein. Ihre goldbraune Haut leuchtete in der Sonne. Tavi ging schneller. Nur noch ein paar Schritte, dann wären sie an ihnen vorbei.
    Was jedoch nicht gelang. Brencis erhob sich von seinem Platz auf dem Brunnenrand und grinste höhnisch. »Schau mal einer an«, sagte er. »Der kleine Gelehrte und sein Freund, die Missgeburt, machen einen Spaziergang. Ich bin nicht sicher, ob sie den in den Speisesaal lassen, wenn du ihm nicht eine Leine anlegst, Gelehrterchen.«
    Tavi beachtete Brencis mit keinem Blick und ging einfach weiter. Immerhin bestand die Chance, dass der andere Junge sie dann in Ruhe ließ.
    Ehren blieb jedoch stehen und starrte Brencis böse an. Der kleinere Junge fuhr sich mit der Zunge über die Lippen und erwiderte scharf: »Er ist keine Missgeburt.«
    Brencis grinste breiter und trat näher. »Und ob, Gelehrterchen. Das Äffchen des Ersten Fürsten. Einmal hat es ein Kunststück vorgeführt, und nun will Gaius es herumzeigen wie jedes andere dressierte Tier.«
    »Ehren«, sagte Tavi, »komm.«
    Plötzlich begannen Ehrens dunkle Augen zu glänzen, und seine Unterlippe zitterte. Dennoch hob der Junge das Kinn und blickte Brencis unverwandt an. »Er ist keine Missgeburt«, beharrte Ehren.
    »Nennst du mich einen Lügner, Gelehrterchen?«, fragte Brencis. Sein Lächeln nahm einen bösartigen Zug an, und er ballte die Hand zur Faust. »Ich dachte, du hättest mittlerweile gelernt, Leuten die dir überlegen sind ein bisschen mehr Respekt zu zollen.«
    Tavi knirschte mit den Zähnen. Es war einfach ungerecht: Idioten wie Brencis konnten sich aufspielen, wie sie wollten, während anständige Jungen wie Ehren ständig drangsaliert wurden. Brencis hatte offensichtlich nicht die Absicht, sie in Frieden ziehen zu lassen.
    Daher warf Tavi Ehren einen Blick zu und schüttelte den Kopf. Der kleinere Junge wäre nicht in diese Lage geraten, wenn er
nicht Tavi hinterhergetrottet wäre. Also drehte sich Tavi zu Brencis um. »Lass uns doch in Ruhe. Wir wollen nur frühstücken.«
    Brencis legte die Hand ans Ohr und spielte den Erstaunten. »Habt ihr etwas gehört? Varien, hast du etwas gehört?«
    Hinter Brencis standen zwei seiner Kumpane auf und schlenderten hinzu. Varien war mittelgroß und stämmig gebaut. Seine Robe war nicht annähernd so fein wie Brencis’, aber immer noch deutlich teurer als Tavis. Wegen seines fetten Gesichts wirkte Varien wie ein trotziger, verzogener Bengel. Das feine blonde Haar hing ihm strähnig herab, es lockte sich nicht wie das von Brencis. An seiner Kordel tummelten sich mehrere weiße und grüne Perlen, die allerdings farblich gar nicht zu seinen schlammbraunen Augen passten. »Hat da gerade eine Ratte gequiekt?«
    »Könnte sein«, meinte Brencis ernst. »Gut, Gelehrterchen. Schlamm oder Wasser, was ist dir lieber?«
    Ehren schluckte und trat einen Schritt zurück. »Augenblick mal. Ich will

Weitere Kostenlose Bücher