Im Schatten des Galgens Kommiss
Settloom die aufgeworfene Frage mit: „No, Ted! Nur einen kleinen Fang will ich mit dir durchführen. Weiter nichts", beantwortete, war er bereits einverstanden. Noch kurz wurde die Geldfrage dieses Geschäftes geregelt. Und während der Slumrobber die Hälfte der ausgemachten Summe in seine Tasche steckte, erhoben sich die beiden zwielichtigen Gestalten, um ihren gemeinen, hinterlistigen Anschlag durchzuführen . . .
*
Grau in grau lag das Flußbett und das gesamte Hafengebiet in der langsam hereinbrechenden Nacht. Während es die zwei Männer, die vom South-West-India-Pier, es waren der ehemalige Steuermann der „Susanne", Jean Embroke und sein Schatten Tschu Ly-Chuang, sich über die einzige Zufahrtstraße, die aus dem Wirrwarr von Hafenanlagen, Docks und Werften herausführte, langsam bewohnteren Gebieten zuwandten . . . trabte Sten Settloom mit seinem gekauften Slumrobber von Norden her dieser bei dem Nebel und der immer stärker werdenden Dämmerung unheimlich wirkenden Gegend zu.
Nicht allzu weit war ihr Weg von Wapping bis zu der zwischen dem Fluß und den riesigen Dockanlagen in der großen Themseschleife liegenden West-Ferry-Road. Nur diesen Weg konnte Jean Embroke nehmen, wollte er ins Stadtinnere gelangen — und daß Embroke diesen Weg nehmen würde, war für Sten Settloom sonnenklar. Hier im dunkelsten Teil, etwa in Höhe der Straßenkrümmung am mittleren der India- Docks, konnte unbemerkt und ziemlich leicht der Überfall auf den verhaßten Ankömmling durchgeführt werden. Kein Mensch hielt sich bei Dunkelheit länger als es unbedingt nötig gewesen wäre, hier auf. Somit war die Gefahr, bei ihrem Unternehmen einen unliebsamen Zeugen zu haben, so gut wie ausgeschlossen. Und doch sollte bei ihrem Vorhaben ein Ereignis eintreten, das sich nicht nur nachteilig für sie auswirken sollte, — sondern sie an den Rand ihrer eigenen Vernichtung brachte . . .
Bei all ihren mehr oder weniger klugen Ueberlegungen, die sie auf dem Weg von Wapping zur West-Ferry-Road angestellt hatten, hatten sie einen Faktor ganz und gar außer acht gelassen: Und dieser Faktor hieß — Tschu Ly-Chuang!
Trotz ihrer Einfältigkeit, mit der sie hier zu Werke gingen — und trotz ihrer sonstigen Gerissenheit, die sie bei derlei Sachen an den Tag legten, konnten sie nicht ahnen, daß Jean Embroke, ihr Mann, einen — wie sich bald herausstellen sollte — unheimlichen Schatten hinter sich herschleichen hatte.
Dies wußte selbst Jean Embroke bis zu dem Augenblick noch nicht, als er tief in Gedanken versunken jenen Teil der West-Ferry-Road passierte, in dem zwei Asphalthyänen auf ihn lauerten. Er bemerkte auch nicht die undeutlichen Umrisse der Gangster, die sich kaum zehn Yards von ihm entfernt, nun zum Überfall auf ihn bereit machten . . .
In den nun folgenden Minuten überschlugen sich fast die Ereignisse.
„Der Kerl sieht aus wie ein Seemann — und wiederum auch nicht", raunte Ted, der Slumrobber, dem neben ihm hockenden Settloom zu.
Sie hatten sich beim Herannahen Jean Embrokes geräuschlos hinter einer verfallenen Mauer versteckt. Nun ließen sie den Ahnungslosen auf sich zukommen. Die Gestalt des Mannes — der auf seiner Schulter liegende Seesack — der Gang des Mannes; alles dies ließ in Settloom die Erkenntnis reifen, daß es der Erwartete sein mußte.
Hinzu kam noch ein fast tierischer Instinkt, mit dem er geradezu wie ein schleichender, hungriger Tiger die richtige Wahl seiner Beute traf . . .
„Er ist's!'
Gleichzeitig mit diesen Worten sprang er aus seinem Versteck heraus. Zwei, drei Schritte, dann war er an Jean Embroke heran. Einen winzigen Augenblick nur stockte das Blut in den Adern Jean Embrokes, als er wie aus dem Nichts einen Schatten auf sich zufliegen sah. Sofort aber begannen sich alle Sehnen und Muskeln in ihm zu spannen. Noch erkannte er nicht seinen nächtlichen Angreifer. Noch bemerkte er nicht die zweite Gestalt, die sich aus derselben Richtung ihm näherte. Mit einem knirschenden Laut zwischen den Lippen, riß er zunächst seinen vollen Seesack von der Schulter und schleuderte ihn auf den ersten Angreifer. Ein dumpfer Laut, dem gleich ein wütendes Knurren folgte, ließen Jean Embroke erkennen, daß der schwere Seesack voll das Ziel getroffen hatte. Zusammen mit dem Wurfgeschoß rollte der heimtückische Wegelagerer über den Boden. Nun war es Jean Embroke, der zum Angriff auf seinen Widersacher übergehen wollte. Zwei mächtige Sprünge brachten ihn in die Nähe des immer
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